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Das sagt ÖSTEREICH-Chef Wolfgang Fellner zum Pröll-Rückzug

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ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner kommentiert den überraschenden Rücktritt von Josef Pröll aus allen politischen Ämtern. Und wie ist Ihre Meinung? Posten Sie Ihren Kommentar.

Das sagt ÖSTEREICH-Chef Wolfgang Fellner zum Pröll-Rückzug
© oe24

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Der Rücktritt von Josef Pröll aus der Politik kam weniger überraschend als nun viele Beobachter heucheln. Josef Pröll präsentierte sich heute in der Pressekonferenz zwar gut erholt und (fast) in neuer Frische.

Aber seine Erkrankung war in Wahrheit viel dramatischer als oft dargestellt. Wäre Prölls Lungenembolie nicht gleich erkannt worden und ein Notarzt-Hubschrauber organisiert worden, wäre Pröll mit hoher Wahrscheinlichkeit am Lungeninfarkt verstorben.

Seine Thrombose-Anfälligkeit ist ein ständiges Risiko, seine medikamentöse Behandlung kompliziert, ein weiterer Mega-Stress in politischer Dreifach-Funktion wäre eine enorme gesundheitliche Belastung gewesen, die kein Mensch von Josef Pröll verlangen kann. Josef Pröll hat eine fantastische Familie, die ihn bei seiner menschlich völlig richtigen Entscheidung beraten und unterstützt hat.

Sein Beispiel von heute zeigt: Politik ist - gottseidank - nicht alles im Leben. Familie und Gesundheit sind wichtiger. Und: Ein bisschen mehr Menschlichkeit in der Politik täte uns allen gut.

Anerkennung und Dank
Josef Pröll war immer (und bleibt hoffentlich) von allen heimischen Politikern einer der sympathischsten - auch wenn seine Rolle als Macht-Haberer und Nein-Sager zuletzt sein Image stark beschädigt hat. Er hat sich vor allem in seinem Job als Finanzminister für Österreich regelrecht aufgeopfert - mit 18-Stunden-Tagen, 7-Tage-Woche und Rund-um-die-Uhr-Stress. Dem Einsatz von Josef Pröll ist tatsächlich auch zu verdanken, dass unser Land so glimpflich und wie eine kleine Insel der Seligen durch die weltweite Finanzkrise gekommen ist. Er hat als Finanzminister - vom viel zu brutalen und stark übertriebenen Spar-Budget 2011 einmal abgesehen - einen wirklich guten Job gemacht. Dafür gebührt ihm Anerkennung und Dank.

In Wahrheit war der Job von Josef Pröll von Beginn an unlösbar. Im Gegensatz zu Kanzler Faymann, der sich bewusst zu seiner Doppelbelastung Kanzler-Parteichef kein weiteres inhaltliches Ressort aufgelastet hat, hatte Pröll junior die völlig irrwitzige Vorstellung neben Parteichef und Vizekanzler auch noch das zeit- und arbeits-intensivste Fachressort, das Finanzministerium, zu übernehmen.
Das klang in der Theorie genial: Theoretisch war Pröll als Finanzminister gerade in der Krise der heimliche Kanzler und schaffte in der Regierung an.

Das war aber in der Praxis fatal: Pröll war zeitlich völlig überfordert. Er flog in der Finanzkrise praktisch nonstop durch Europa, um unsere Banken zu retten, jettete permanent nach Brüssel, um den Euro zu retten, hackelte spätnachts im Büro, um ÖVP und Regierung zu retten. Dabei passierten Pröll vor allem innenpolitisch immer mehr Fehler.

Nach einem eindrucksvollsten Aufstieg, in dem Pröll zeitweise mit bis zu 80 Prozent Zustimmung der beliebteste Politiker der Regierung war, von einem kleinen regionalen Wahlerfolg zum nächsten turnte und von einem politisch eher umnachteten Kleinformat schon als nächster Kanzler gefeiert wurde, kam der Absturz.

Zuerst traf Josef Pröll die fatale Fehlentscheidung, seinen Onkel Erwin nicht für die Hofburg kandidieren zu lassen. Das kostete ihm nicht nur alle Sympathien seines wichtigsten Förderers - sondern brachte die ÖVP völlig außer Tritt, weil sie tatenlos zusehen musste, wie der ungeliebte Heinz Fischer kampflos das Amt des Bundespräsidenten behielt.

Dann begann Pröll eine absurde Blockade-Politik in der Regierung, die von der Schulreform bis zur Heeresreform alle wichtigen Projekte auf Eis legte. Die Folge war ein sinnloser Streit in der Regierung, völliger Stillstand - und ein katastrophal schlechtes Image für ÖVP und Koalition. Durch ein Spar-Budget, das vor allem die Familien und sozial Schwachen traf, wurde Pröll zum Buhmann der Nation - Kanzler Faymann revanchierte sich nun mit Genuss für Prölls freche Kanzler-Ansagen aus dessen Hoch-Zeit und ließ Pröll samt viel zu brutalem Budget im Regen stehen.

Zum Desaster in der Regierung kam das Desaster in der EU: Pröll engagierte sich für Griechen-Hilfe, Euro-Rettung, Milliarden-Schutzschirm - und galt plötzlich als EU-Unsympathler und Banken-Freund. Sein Image war im Eimer.

Weil Pröll immer psychosomatisch re(a)gierte, war der Lungeninfarkt fast eine logische Folge. Kaum lag Pröll auf der Intensivstation wurde die ÖVP durch den Fall Strasser als Korruptionisten- und Lobbyisten-Partei gebrandmarkt. Mit den Image-Problemen Schüssel und Grasser zusätzlich belastet, stürzte die ÖVP in allen Umfragen ab - es war absehbar, dass sie in Kürze sogar hinter die Grünen auf Platz 4 zurückfallen und in einer nächsten Regierung bestenfalls noch den Junior-Partner für Strache abgeben würde.

Selbst ein gesunder Politiker hätte in dieser Situation die ÖVP nicht mehr retten können - für Pröll wäre es ein gesundheitliches Selbstmord-Kommando geworden.

Jetzt muss die ÖVP einen Neustart wagen. Das wird extrem schwierig. Weit und breit ist in der ÖVP kein Politiker in Sicht, der Josef Pröll in Popularität, Ausstrahlung, Machtwillen aber auch Einsatz das Wasser reichen kann.

In dieser (Personal-) Not ist Außenminister Spindelegger als ÖVP-Chef die einzige Lösung. Er hat die besten Umfragewerte (aber nur, weil er nie aufgefallen ist). Er hat die mächtige NÖ-ÖVP mit Erwin Pröll hinter sich (die Pröll junior zuletzt fehlte). Er ist ein Garant für ein "Miteinander" in der Regierung und für eine sanfte Neu-Orientierung im ÖVP-Kurs (aber ohne viele neue Ideen).

Spindeleggers Problem: Wahlsieger sehen anders aus. Gegen einen HC Strache und gegen einen Werner Faymann wird der politisch extrem blasse Spindelegger erst sein Profil finden müssen.

Spindelegger muss jetzt sofort die Felder besetzen, die Pröll vernachlässigt hat: Ein Neustart für die Schulreform (in der Spindelegger als Reformer gilt). Ein rasches Ende für die Wehrpflicht (wo Spindelegger der Vermittler war). Ein neues Profil der Partei für Umwelt und gegen Atom (wo Spindelegger schleunigst Alt-Kanzler Schüssel "entsorgen" muss). Ein Neuanfang gegen Korruption, Lobbying und Justiz-Krise, die alle der ÖVP zugeschrieben werden.

Josef Pröll kann man für seine Zukunft (mit seiner großartigen Familie) nur alles Gute wünschen. Er wird wohl als neuer Raiffeisen-Chef in ein paar Monaten in der Banken- und Polit-Szene ein fulminantes Comeback feiern. Mit Pröll (als logischem Nachfolger für Christian Konrad) wird Raiffeisen weiter der Big Player in der politischen Landschaft bleiben - und Pröll junior wahrscheinlich ein wichtiger Fädenzieher im Hintergrund werden.

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