VP-Chef spricht über seine neue Aufgabe und die Sorgen der Familie.
ÖSTERREICH: Sie sind designierter VP-Chef und Vizekanzler. Soll ich Ihnen gratulieren oder mein Beileid aussprechen?
Michael Spindelegger: Das ist ein Job, in dem man die Zukunft gestalten kann, und eine sehr schöne Aufgabe. Sie können mir also gratulieren.
ÖSTERREICH: Haben Sie völliges Pouvoir für Personalrochaden?
Spindelegger: Ich habe im Parteivorstand alles auf den Tisch gelegt. Ich habe eine Mega-Aufgabe übernommen, die ein unglaubliches Engagement erfordert. Da war unter anderem eine Grundvoraussetzung, dass ich mir in Regierung und Partei mein Team aussuchen kann und, dass es keine Tabus geben darf.
ÖSTERREICH: Pröll hat der Job fast seine Gesundheit gekostet. Befürchten Sie nicht, dass Ihnen das auch blühen könnte?
Spindelegger: Es tut mir persönlich sehr leid, dass ein Vollblutpolitiker wie Josef Pröll gegangen ist. Es hat mich auch persönlich getroffen, dass Josef Pröll das aufgeben musste. Und natürlich gibt mir das auch zu denken.
ÖSTERREICH: Aber wie wollen Sie dieses Risiko vermeiden? Immerhin ist der Zustand der ÖVP sehr kritisch.
Spindelegger: Ich brauche Platz für Sport und Bewegung in meinem Leben. Das ist etwas, das ich auch weiterhin machen werde. Zudem bin ich ein Familienmensch. Und auch diese Zeit muss und will ich mir nehmen.
ÖSTERREICH: Wenn man Vizekanzler, Parteichef und Minister ist, ist Zeit für Familie nicht leicht, oder?
Spindelegger: Das stimmt. Als ich heute meine Kinder zur Schule begleitet habe, hat mich mein jüngerer Sohn auch gefragt: „Papa, wie wird das jetzt werden?“ Diese Angst werde ich ihm nehmen. Ich werde weiter Zeit für meine Kinder haben.
ÖSTERREICH: Sie hatten ein gutes Verhältnis zu SP-Kanzler Faymann. Haben Sie mit ihm bereits Ihre Regierungsumbildungspläne besprochen?
Spindelegger: Wir hatten ein gutes Arbeitsverhältnis und ich hoffe, dass es so bleibt. Ich werde nächste Woche ein persönliches Gespräch mit ihm führen.
ÖSTERREICH: Sie hatten als ÖAAB-Chef in den vergangenen Monaten ein Bildungskonzept und ein Heereskonzept erstellt. Sie sind für die Beibehaltung der Wehrpflicht, oder?
Spindelegger: Die Konzepte liegen am Tisch und ich hoffe, dass wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner Reformen auf die Beine stellen können. Das ist dringend nötig.
ÖSTERREICH: Pröll hat in seiner Abschiedsrede mangelnden Anstand und Stillstand in der Politik angeprangert.
Spindelegger: Das ist auch etwas, das ich aus seiner Rede mitnehme. Er hat Recht: Für ÖVP-Politiker muss Anstand ein Leitmotiv sein, das auch spürbar umzusetzen ist. Und den Stillstand müssen wir überwinden.
ÖSTERREICH: Pröll ist politisch letztlich an der eigenen Partei gescheitert. Droht Ihnen das jetzt nicht auch?
Spindelegger: Es ist keine leichte Aufgabe. Wir haben besondere Strukturen. Ich habe eine Verpflichtung übernommen, aber auch die Partei hat eine Verpflichtung.
ÖSTERREICH: Ist das die letzte Chance für die VP?
Spindelegger: Ich würde es nicht als letzte Chance bezeichnen. Wir haben eine Chance, die wir nützen müssen.
