Justizministerin Alma Zadic wehrt sich gegen die ÖVP und deren Generalsekretärin Laura Sachslehner mit einem Gegenangriff.
ÖSTERREICH: Wären Sie für ein Aussetzen der 2. Mietenanhebung (Kategoriemieten, weil Inflation über 5%)?
ALMA ZADIC: Das Mietrechtsgesetz sieht eine automatische Anpassung vor. Kategorie-Mieten müssen demnach angepasst werden, hier gibt es leider keinen Spielraum, weil das Gesetz klar vorsieht: Wenn die Inflation über 5% beträgt, dann muss angepasst werden. Es finden im Moment aber intensive Gespräche statt, wie der generellen Teuerung entgegengewirkt werden kann – da werden verschiedenste Maßnahmen diskutiert - Mieten sind dabei ein zentraler Punkt. Den laufenden Verhandlungen kann ich aber nicht vorgreifen.
ÖSTERREICH: Das heißt eine Aussetzung ist darin nicht ausgeschlossen?
ZADIC: Das kann noch Thema werden. Jetzt ist allerdings noch die gesetzliche Verpflichtung da. Klar ist aber auch, dass das Wohnen und Leben immer teurer werden und dem müssen wir entschieden entgegenwirken.
»Mancher Sager eher weniger konstruktiv«
ÖSTERREICH: Generell: Sie werden von der ÖVP-U-Ausschussmannschaft andauernd attackiert, wie bewerten Sie das?
ZADIC: Es ist jedem Abgeordneten unbenommen, Minister zu kritisieren. Ich bin aber der Meinung, dass wir gerade im U-Ausschuss zu sachlicher und konstruktiver Diskussion zurückkehren sollten. Manche Sager waren da zuletzt eher weniger konstruktiv.
ÖSTERREICH: Wie ist das Koalitionsklima aktuell? Skala von 1 bis 10?
ZADIC: Generell arbeiten wir sehr gut und professionell in dieser Koalition. Karl Nehammer hat einen sehr konstruktiven Zugang, den ich sehr schätze. Es gibt viele Projekte, die wir gemeinsam vorantreiben. Für das Klima generell ist aber ein anderes Ministerium zuständig (lacht). Die Zusammenarbeit derzeit funktioniert gut, auch auf Fachminister- und Klubobleute-Ebene. Es gibt aber einige wirkliche Herausforderungen wie den Krieg in der Ukraine oder die Pandemie – aber wir werden das meistern.
ÖSTERREICH: Haben Sie Angst vor einer VfGH-Klage Hangers wegen der SPÖ-Chats?
ZADIC: Ich habe dem Abgeordneten Hanger als auch dem U-Ausschuss klar gesagt, dass wir selbstverständlich alles, was vom Untersuchungsgegenstand erfasst ist und von uns verlangt wird, liefern. Es sind viele Verlangen gestellt worden, die arbeiten wir nach der Reihenfolge, in der sie eingelangt sind, Schritt für Schritt ab. Wenn der Abgeordnete seine Verlangen Wochen später einbringt und dann verlangt, dass man sie vorreiht, wäre das eine politische Einflussnahme meinerseits. Wenn der U-Ausschuss sich einigt und die Verlangen der ÖVP vorreihen will, mach ich das selbstverständlich.. Ich muss aber sicherstellen, dass die Staatsanwaltschaften prüfen können, ob durch diese Chatlieferungen Ermittlungsverfahren gefährdet werden könnten. Deswegen muss alles geprüft werden.
Zu SPÖ-Chats: »Wir arbeiten das eins nach der Reihe nach ab«
ÖSTERREICH: Wann rechnen Sie mit der Lieferung der Chats, geht sich das im U-Ausschuss noch aus? Bzw. was machen Sie im Falle einer Exekution wie damals bei Finanzminister Blümel?
ZADIC: Das sind ganz unterschiedlich gelagerte Fälle – wir haben ja immer gesagt, dass wir alles liefern. Wir arbeiten das der Reihe nach ab und haben extra Personal dafür abgestellt, die diese Datenträger sichten. Wir haben mit dem U-Ausschuss ausgemacht, dass wir einmal im Monat neue Daten liefern – je nach Fortschritt der Auswertungen. Es wird laufend ausgewertet und all das wird dann am Monatsende geliefert. Wir liefern also permanent.
ÖSTERREICH: Geht sich das im Laufe des U-Ausschuss noch alles aus?
ZADIC: Es wird laufend geprüft, wie viele Daten tatsächlich Untersuchungsgegenstand sind. Es sind zahlreiche Terrabytes an Daten, die gesichtet werden müssen. Vieles davon konnte die Staatsanwaltschaft bislang noch gar nicht überprüfen.
ÖSTERREICH: Kann die Justiz unbeeinflusst arbeiten?
ZADIC: Seitdem ich im Amt bin, ist es mein Ziel das unbeeinflusste Arbeiten der Staatsanwaltschaften zu sichern und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Deswegen habe ich auch tiefgreifende Reformen vorgenommen. Zum einen in der Dienst- und Fachaufsicht, wo ich die zuständige Sektion im Justizministerium auf neue Beine gestellt habe. Seit über einem Jahr gibt es dort eine neue Sektionschefin, die für die Staatsanwaltschaften zuständig ist und die Fachaufsicht ruhig, gewissenhaft und sehr gut macht. Auch die Fachaufsicht über die WKStA habe ich geändert, diese funktioniert jetzt gut.. So habe ich dazu beigetragen, dass die Arbeit innerhalb der Staatsanwaltschaft ruhig und professionell ablaufen kann. Zusätzlich habe ich auch die Ressourcen erhöht. Die Justiz wurde lange Zeit kaputtgespart, in den letzten zwei Jahren habe ich mich intensiv darum bemüht, dass wir wieder mehr Ressourcen bekommen. Das ist für eine unabhängige, schnelle und starke Justiz unabdingbar.
ÖSTERREICH: Wie sieht es mit den Verhältnis WKStA/OStA aus, ist das jetzt besser?
ZADIC: Der Konflikt, den ich von meinen Amtsvorgängern geerbt habe hat sich wesentlich beruhigt hat, auch aufgrund der von mir durchgeführten Reformen. Auch die Staatsanwälte, die im U-Ausschuss befragt wurden, haben das bestätigt. Es wird ruhig und professionell gearbeitet, viel hat sich dort zum Besseren verändert - Es ist wieder Ruhe eingekehrt. Als ich ins Amt gekommen bin, haben wir auch die Berichtspflichten reduziert, damit die Staatsanwaltschaft er. Das haben wir reduziert.
ÖSTERREICH: Korruptionsstrafrecht: Wo hakt es da noch? Die ÖVP signalisierte zuletzt, nicht im Weg zu stehen?
ZADIC: Ich habe das Gesetz im Justizministerium ausgearbeitet, wenn die ÖVP sagt, dass sie dafür ist, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir bald eine Einigung haben. Wir sind jetzt intensiv am Verhandeln, tatsächlich auch wöchentlich. Das ist extrem wichtig: Ibiza hat uns die immer noch bestehenden Lücken im Korruptionsstrafrecht aufgezeigt.
ÖSTERREICH: Ein Verbot des Mandatskaufs wird es mit ihnen definitiv geben?
ZADIC: Wir haben uns im Regierungsprogramm schon darauf verständigt, dass das, was man im Ibiza-Video hören musste, strafbar sein soll.
»Sachslehner ist nicht Teil der Regierung«
ÖSTERREICH: ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner betonte zuletzt, dass sie sie in der Pflicht sieht, was Reformen in der Justiz angeht – Was sagen Sie dazu?
ZADIC: Frau Sachslehner ist nicht Teil der Regierung, ihre Aussagen somit nicht zentral für die Regierungsarbeit. Wir arbeiten innerhalb der Regierung sehr viele der Projekte und Reformvorhaben kontinuierlich ab. Wenn sie sich inhaltlich einbringen möchte, kann sie das sicherlich beim Koalitionspartner tun. Ich nehme mir derartige Kritik nicht zu sehr zu Herzen. Wir haben viele Reformen, für die ich auch mit der ÖVP-Regierungsseite in Gesprächen bin.
ÖSTERREICH: Bundesstaatsanwaltschaft: Sie befürworten das den Vorschlag für ein Kollegialorgan, das Mehraugenprinzip an der Spitze – Wann soll das kommen?
ZADIC: Jetzt kam der zweite Zwischenbericht. Den werden wir dem Parlament weiterleiten, damit auch schon über Zwischenergebnisse diskutiert werden kann. Mir ist das deswegen so wichtig, weil die Schaffung einer Bundesstaatsanwaltschaft die größte Reform der Staatsanwaltschaften in der Zweiten Republik ist. Dementsprechend sorgfältig muss man arbeiten und Vertreter von Justiz und Wissenschaft einbeziehen. Es braucht ein ausgewogenes System. Schnelle und schleißige Reformen könnten der Politik die Hintertür für die Beeinflussung der Justiz öffnen. Ich hoffe, schon bald etwas in diese Richtung präsentieren zu können. Der Arbeitsgruppe will ich hier aber nicht vorgreifen.
ÖSTERREICH: Bald Halbzeit in der Regierung: Welche Leuchttürme neben den angesprochenen Reformen wollen Sie noch angehen?
ZADIC: Für mich ist die Kinderschutzrechtsreform eine ganz wesentliche Sache. Wir führen dazu bereits mit vielen Vereinen und Organisationen Gespräche. Dabei soll es um eine fortschrittliche Reform gehen, die sowohl die Kinderrechte in den Fokus stellt, als auch Frauenrechte und den Gewaltschutz stärkt. Es soll auch ein modernes Frauen- und Familienbild im Gesetz abgebildet werden. Wir brauchen eine Reform, die die tatsächliche Gleichstellung fördert. Das hoffe ich in der nächsten Halbzeit zu erreichen.
Das Interview mit ÖSTERREICH führte Johannes Reichmann