ÖSTERREICH-Interview

Häupl: "Nicht ständig von Rot-Blau herumfaseln"

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Wiens Bürgermeister Michael Häupl schießt sich im Wahlkamf auf Sebastian Kurz ein.

Er ist kampfeslustig wie eh und je. Fasst könnte man glauben, der Wahlkampf ist ein Jungbrunnen für Michael Häupl: 17 Wahlen – von EU über Nationalrat bis Gemeinderat – hat er als Wiener SPÖ-Chef erlebt, ergibt eine Überschlagsrechnung im Vorgespräch für dieses Interview. Und Häupl fackelt auch nicht lange – zielgerichtet nimmt er Sebastian Kurz ins Visier. Keine Frage, im Wahlkampffinale ist der VP-Chef der Hauptgegner der Roten. Denn dass Kurz die Wahl gewinnt, das ist für Häupl längst nicht ausgemacht. „Die Leute hören uns diesmal im Wahlkampf zu“, sagt er. Schlechtes Gefühl habe er deshalb keines, „Es gab schon mal Wahlkämpfe, da haben sie gesagt, geht’s weg. Das ist diesmal nicht der Fall.“

Ja, SPÖ-Kanzlerkandidat Kern könne gewinnen. Zur Nachfolge in der Wiener SPÖ will Häupl nichts mehr sagen. Nur so viel: Sein Nachfolger werde nicht eineinhalb Jahre auf den Bürgermeister-Job warten müssen, wie das seinerzeit bei ihm der Fall war.

"Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ist doch längst ausgemacht"

ÖSTERREICH: Sie sagen immer, der Wahlkampf ist die Zeit der fokussierten Unintelligenz. Was fällt Ihnen denn bei diesem Wahlkampf besonders Unintelligentes auf?

Michael Häupl:
Das völlige Ignorieren des Umstandes, dass es in diesem Wahlkampf einen Kanzlerkandidaten gibt, der eigentlich keinerlei inhaltliche Aussagen zu Zukunftsfragen wie Bildung, Gesundheit etc. macht. Das finde ich persönlich irritierend.

ÖSTERREICH:
Sie meinen wohl Sebastian Kurz. Aber warum führt der trotzdem in den Umfragen?

Häupl:
Wären die Umfragen vor der letzten Wiener Gemeinderatswahl wahr gewesen, säße ich jetzt nicht hier. Es ändert aber nichts an der Tatsache: Ja, er kommt durchaus bei einem Teil der Wähler gut an. Es gibt mit Sicherheit eine Sehnsucht nach irgendetwas Neuem, weil die Performance der rot-schwarzen Regierung aufgrund der Boykottpolitik der ÖVP nicht die beste war. Aber in dem Moment, in dem man sich wirklich über die Zukunft des Landes Gedanken macht, ist es mir ein Rätsel, wie man Kurz wählen kann.

ÖSTERREICH:
Wie gut kennen Sie ihn denn?

Häupl:
Im Wiener Gemeinderat ist er durch eine einzige Fragestellung aufgefallen. Nämlich, ob es nicht denkbar wäre, die Altersgrenze, die es übrigens nicht gibt, für das Empfangen von Orden herabzusetzen, sodass auch junge Leute einen Orden bekommen können. Ich habe mir damals gedacht, sei mir nicht böse, aber in deinem Alter habe ich andere politische Sorgen gehabt als Orden.

ÖSTERREICH:
Was muss denn die SPÖ machen, um doch noch Platz 1 zu erreichen?

Häupl:
Ihn permanent fragen, was er zu den Zukunftsthemen dieses Landes nun in der Tat auch meint. Und das Zweite: Man soll nicht ständig herumfaseln von einer rot-blauen Koalition. Wer die Realitäten sieht, der weiß, dass vor der Tür eine schwarz-blaue Koalition steht. Das ist ein Punkt, wo ich sehr sensibel agiere. Ich leide nicht unter politischer Amnesie. Ich weiß, was sich damals in den sechs Jahren von 2000 bis 2006 abgespielt hat.

ÖSTERREICH:
Sie sind also weiter gegen Rot-Blau?

Häupl:
Ganz klar Ja. Ich habe keinen Grund, meine Meinung zu ändern. Ich vertrete mehrfache einstimmige Beschlüsse der SPÖ am Landesparteitag in Wien. Ich vertrete einen einstimmigen Beschluss des Bundesparteitages.

ÖSTERREICH:
Ist auf der anderen Seite die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP nicht schon derart vergiftet, dass es in Wahrheit nicht mehr geht?

Häupl:
Ich glaube, dass da überall genug Profis am Werk sind, die sagen, wenn man von etwas überzeugt ist, dann macht man das. Nur ich denke, die Diskussion erübrigt sich. Es ist zwischen der ÖVP und FPÖ längst eine gemeinsame Regierung ausgemacht.

ÖSTERREICH:
Kann es Christian Kern schaffen, deutlich Erster zu werden?

Häupl:
Natürlich kann er das. Wir sind aber alle, da schließe ich mich mit ein, Kinder der Aufklärung und appellieren gerne mit den Argumenten der Vernunft an den Kopf. Vielleicht sollte man es emotionaler gestalten.

ÖSTERREICH:
Und wie?

Häupl:
Deutlich sagen, dass ein Pensionist, wenn er Schwarz-Blau wählt, seine eigene Pensionskürzung wählt. Wie das schon beim ersten Mal bei Schwarz-Blau der Fall war.

ÖSTERREICH:
Fast alle Parteien wollen die Mindestsicherung für Flüchtlinge kürzen – gerade die Kurz-ÖVP. Warum wehrt sich die SPÖ dagegen? Es forciert offenbar Zuzug von Flüchtlingen nach Wien, wenn die Bundesländer kürzen.

Häupl:
Bisher bemerkt man diesen Effekt nur mäßig. Ich habe zwei Argumente. Das erste: Kürzungen für anerkannte Flüchtlinge sind schlicht und einfach verfassungswidrig. Das zweite ist, dass ich es grundsätzlich nicht einsehe, dass man den Ärmsten der Armen die Mindestsicherung kürzt. Wir müssen genauso auf die Österreicher achten, die mit 844 Euro im Monat auskommen müssen. Die Menschen, die Kürzungen fordern, sind doch genau jene, die mit ihren Freunden an einem Abend mehr Geld ausgeben, als andere in einem ganzen Monat zur Verfügung haben. Und das mit dem Vergleich der Pension ist Unfug: Denn wenn jemand 30 Jahre gearbeitet hat, ist die Mindestpension heute 1000 Euro.

ÖSTERREICH:
Also wird Wien die Politik nicht ändern …

Häupl:
Nein, wir machen etwas anderes. Es ist nicht unsere Zielsetzung, dass Leute – egal ob sie österreichische Staatsbürger oder anerkannter Flüchtling sind – dauerhaft in der Mindestsicherung bleiben. Wir sind Kinder des Toni Benya, der immer gesagt hat, die beste Sozialpolitik ist eine gute Arbeitsmarktpolitik. Dass die Leute Arbeit haben und nicht auf eine Sozialhilfe angewiesen sind. Wir tun ja alles dafür, um Menschen aus der Mindestsicherung herauszuführen und wieder in den Arbeitsmarkt hineinzubekommen.

ÖSTERREICH:
Warum übergeben Sie selbst nicht schon früher den Parteivorsitz als im Jänner 2018 – und wann werden Sie auch den Bürgermeister abgeben?

Häupl:
Nach der Wahl gilt unsere Aufmerksamkeit voll und ganz den Regierungsverhandlungen, damit ist ein Landesparteitag im Jänner logisch. Und was den Bürgermeister betrifft: Das werde ich mit dem neuen Parteivorsitzenden ausmachen. Ich war eineinhalb Jahre SPÖ-Vorsitzender, bevor ich Bürgermeister wurde. So lange werde ich ihn oder sie jedenfalls nicht warten lassen.

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