Wahl-Analyse

Karmasin: Spannende sieben Tage Wahlkampf

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Sophie Karmasin zieht die Bilanz der Wahlkampf-Woche: Rendi holt auf, Kurz souverän, Strache-Rückzug nützt der FPÖ.

Rendi macht Boden gut

Man kann fast von einer Wende für Pamela Rendi-Wagner sprechen, denn für mich war ihr Auftritt beim ORF-Sommergespräch wirklich bemerkenswert. Nach dem, was in den letzten Wochen passiert ist, finde ich, dass sie sehr locker und souverän rübergekommen ist. Da hat sie ganz offensichtlich an Professionalität zugelegt. Und das ist angesichts der Belastung, der sie ausgesetzt war, durchaus ­beachtlich. Das alles hat sie sehr locker weggesteckt.

Schade für sie, dass ihr ­solider Auftritt wieder von Herrn Dornauer, den Elefantengeräuschen und der unsäglichen Salatblatt-Geschichte überdeckt wurde.

  • Salatblatt. Das war zwar Pech, aber man hat den Eindruck, dass gerade Politikerinnen bei manchen Themen mehr Angriffsfläche bieten. Die Salatblatt-Causa war dafür ein typisches Beispiel. Auf so etwas, in diesem Fall Ernährungsgewohnheiten, wird man nur angesprochen, wenn man eine Frau ist. Umso trauriger, wenn es von einer Frau kommt.
  • Fast zu viel. Inhaltlich war Rendi-Wagner gut vorbereitet und in der gesamten Themenbreite sattelfest. Das „Menschlichkeit siegt“ war mir in der Vorwoche zu wenig, jetzt ist mit Erbschafts- und Vermögenssteuer oder dem Mindestlohn etwas nachgekommen – für meine Begriffe fast zu umfassend.
  • Souverän. Ich finde auch, dass sich Frau Rendi-Wagner in der Geschichte mit dem Hörbiger-Video souverän verhalten hat. Damit ist das ­Thema auch weg. Ich wundere mich, dass Christiane Hörbiger so trotzig reagiert hat. Ob sie jetzt einen Unfall hatte oder nicht – sie hätte sagen können: Treffen wir uns, wenn ich wieder kann.
  • Stark verbessert. Wir sehen also eine stark verbesserte Rendi-Wagner, aber das heißt natürlich noch nicht, dass sie im Finish 15 Prozentpunkte aufholen können wird. Ein bisschen wird sie Boden gutmachen können, aber bestimmt nicht genug.
  • Keine guten Plakate. Die Plakate der SPÖ finde ich nicht gelungen. Die Fotos wirken gestellt, viel gestellter als sie wirklich ist, wie wir ja im TV gesehen haben. Sie schauen gefotoshopt aus, es fehlt die Lebendigkeit und entsprechen den Erwartungen, aber nicht mehr. Inhaltlich sind die Plakate unübersichtlich, es bleibt nichts hängen.

Kurz fährt runde Strategie

  • Hörbiger ein Gewinn. Für die ÖVP war dieses Hörbiger-Video ein Gewinn. Die meisten werden es gar nicht gesehen haben, aber in der Berichterstattung darüber ist rübergekommen: Hörbiger für Kurz. An jene, die sich das Video angeschaut haben, werden die zentralen Botschaften gut vermittelt: Ihn abzusetzen, war niederträchtig. Jetzt muss er schleunigst zurück ins Kanzleramt. Ich vermute, wir werden in den nächsten Wochen noch mehrere Promi-Videos sehen. Offenbar werden 2019 Promi-Videos anstatt Promi- QuereinsteigerInnen, wie im Wahlkampf 2017, eingesetzt.
  • Kurz-Handschrift. Die Plakate der ÖVP halte ich für gelungen. Sie tragen eindeutig die Kurz-Handschrift. Sie sind ein Stück wider die Erwartungen, denn alle haben damit gerechnet, dass er sich in der Wahlwerbung als Überkanzler inszenieren wird, doch er macht genau das Gegenteil: Er zeigt sich sehr nah bei den Menschen, sympathisch, als Mensch unter seinen Wählerinnen und Wählern, der den Kanzler­bonus gar nicht ausspielen muss. Den braucht er auch gar nicht, weil er weiß, dass ausreichend Fundament da ist. Die Wandertour unterstreicht diesen Anspruch ­zusätzlich. Zeitlich und inhaltlich war alles top abgestimmt: Die Hörbiger hat auf dem Video das gesagt, was auf den Plakaten steht. Das ist eine runde Strategie.

Lachbär Hofer, strenger Kickl

  • Geplant? Straches Rolle ist ganz klar nach hinten gerutscht. Das mit dem Haken bei seiner Jobsuche war wirklich spannend. Erst sagt er, er hat den Job, dann hat er ihn doch nicht. Entweder er ist wirklich so unschlüssig in seiner Entscheidung, was unwahrscheinlich ist. Das wäre semiprofessionell. Ich glaube eher, dass eine geplante Strategie dahintersteckt. Im Sinne: Jetzt ist das Buch rausgekommen, das eigentlich für mich spricht. Ich fühle mich entlastet. Dann lege ich einen Beweis vor, dass ich ­sogar einen Job in der normalen Welt bekäme, eine schöne Bestätigung, dass ich mich wieder sauber gewaschen fühlen kann.

Es sollte eine Unterstützung seiner Argumentation sein: Es ist alles wieder gut. Wenn das wirklich seine Strategie gewesen sein sollte, ist sie nicht aufgegangen. Wenn einer so agiert, fragt sich keiner mehr, wie das ­Ibiza-Video passieren konnte. Dass es in einigen Punkten kein Ermittlungsverfahren gibt, hilft juristisch, moralisch natürlich nicht.

  • Dritter stört nur. Wird sein Rückzug aus der Politik durchgehalten, kann es der Partei Ruhe bringen. Ein Fragezeichen bleibt seine Frau. Aber wenn es hält, kann die FPÖ ihre Doppelstrategie perfekt durchziehen: der sympathische Lachbär Hofer und der strenge superscharfe Kickl. Sie setzen das ja auch optisch sehr prägnant auf den Plakaten um: Hofer lacht und Kickl schaut finster. Diese Strategie fahren sie jetzt. In dieses Spiel passt kein Dritter, der würde da nur stören.
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