Wahl-Analyse

Rendi-Wagner: Schafft die Löwin noch ein Wunder?

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Robert Misik findet: Wahlkämpfe sind immer personalisiert – aber dieser ganz besonders.

Manche Leute sagen ja, die Wahl wäre schon entschieden, es wird am Ende des Wahlkampfes genauso stehen wie zu dessen Beginn. Nun, das ist natürlich möglich. Wir haben schon Wahlen erlebt, die Start-Ziel-Siege waren. Aber wir haben auch schon Wahlkämpfe erlebt, bei denen sich in den letzten Tagen vor der Wahl große Überraschungen abspielten. Experten sprechen dann gerne vom „Last-Minute-Swing“, also einem Wählerumbruch in den letzten Wahlkampf­tagen. Ehrlicherweise muss man sagen: Man weiß vorher nie, welche Variante eintreten wird. Die Friedhöfe der Geschlagenen sind voller Leute, die wie „sichere Sieger“ aussahen.

Noch nie war ein Wahlkampf derart personalisiert

Kurz überdeckt in VP alles. Es ist keine besondere Neuigkeit, dass Politik heutzutage personalisiert ist. Natürlich repräsentieren Parteien bestimmte Werte, aber mit denen allein kann man heute keinen Wahlsieg mehr einfahren. Nur: Diese Wahlen sind besonders personalisiert. Sebastian Kurz lässt nicht nur seine Partei, sondern auch alle seine Minister hinter seiner Person verschwinden. Viele Menschen kennen nicht einmal einen Namen aus dem ÖVP-Regierungsteam.

Rendi alleinige Zentralfigur. Und in der SPÖ ist es diesmal nicht sehr viel anders. Pamela Rendi-Wagner ist die Spitzenkandidatin und alleinige Zentralfigur im Wahlkampf. Etwaige sozialdemokratische Ministerkandidaten, die auch selbst Zugkraft haben, sind kaum aufgefallen. Vielleicht ist es ja der Zug der Zeit, vielleicht haben die ­Parteien aber gar nicht mehr diese kraftvollen Figuren, sodass sie sich völlig auf die Spitzenperson verlassen müssen.

Kurz ist nicht mehr so 
souverän wie 2017

Pleiten, Pech und Pannen. Für die ÖVP gilt: Sebastian Kurz ist ihre große Stärke. Er ist populär und hat sich geschickt und souverän „zur Marke“ gemacht. Zugleich hat er aber auch einen Pleiten-, Pech- und Pannen-Wahlkampf hingelegt und ist bei Weitem nicht mehr so souverän wie noch vor zwei Jahren. Man kennt ihn jetzt auch schon besser und erkennt ein paar Muster. Etwa, dass er immer vom neuen, sauberen Stil redete und selbst eigentlich der Ober-Anpatzer der Republik ist, der als Einziger in zwei Wahlkämpfen je eine gerichtliche einstweilige Verfügung eingefangen hat.

Selbst der Kurier, der unverdächtig ist, dem Altkanzler nicht ausreichend zu huldigen, benannte unlängst das Hauptproblem von Sebastian Kurz: Er hat so oft die Unwahrheit gesagt, dass man ihm nichts mehr glaubt. Leute berichten von Verwandten, die noch 2017 ganz begeistert von ihm waren und ihn jetzt für „ganz einen falschen Hund“ halten, wie man das im Volksmund ausdrückt. Wenn diese Meinung Kreise zieht, dann kann es für Kurz gefährlich werden.

Einziges inhaltliches Thema blieb Klimakatastrophe

Posten als Wahlkampf-Hit. Das einzige wirkliche große inhaltliche Thema blieb die Klimakatastrophe. Das wird sich im erwarteten guten Ergebnis der Grünen niederschlagen. Die ÖVP hat sowieso nur ein Thema: Kurz soll wieder Kanzler werden. Die FPÖ hat zwei Themen. Erstens: Wir wollen mitregieren. Zweitens: Auch unser Kickl will unbedingt wieder mitregieren. Regierungsposten sind hier der eigentliche Wahlkampfschlager.

Hat die SPÖ einen zu 
großen Themenkatalog?

Partei der einfachen Leute. Pamela Rendi-Wagner hat dagegen versucht, die SPÖ wieder als die Partei der ­„einfachen Leute“ mit vielen Sozialthemen zu positionieren, vom Mindestlohn bis zur Steuerentlastung von Niedrigverdienern, von der Pflege bis zum Mietthema und Erbschaftssteuern.

Entscheidendes Thema fehlt. Das Problem bei einer solchen Strategie: Man hat einen großen Katalog, aber nicht das eine entscheidende Thema, das sich die Leute merken. Wenn man das gut macht, muss das nicht stören, etwa, wenn sich der Katalog zur Geschichte „die Roten sind die, die sich um die einfachen Leute kümmern“, summiert.

Hält man Rendi-Wagner bereits für geschlagen?

Drei Fragen entscheiden. Darüber, wie diese Wahlen ausgehen, entscheiden also nicht die Umfragen der vergangenen Wochen, sondern drei Fragen:

  • Haben noch ausreichend viele Wähler ein gutes Bild von Sebastian Kurz, oder beginnen sie bereits, beispielsweise an seiner Seriosität zu zweifeln?
  • Hält man Pamela Rendi-Wagner für eine sowieso Geschlagene oder eher für eine, die beeindruckend kämpft mit dem Mut einer Löwin?
  • Und kann die SPÖ ihr Sozialthema wirklich nachhaltig setzen, oder ist es für die Wähler nur eine Liste, für die Wahlentscheidung letztlich irrelevant?

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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