Wahl-Analyse

Wahlkampf: Final emotional

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Thomas Hofer über die letzten Tage eines hochemotionalen Wahlkampfs.

Kurz kurz sprachlos. Der Angriff kam unerwartet. Und zumindest eines hat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner mit ihrem Vorwurf, Sebastian Kurz hätte das Fieber seines Kontrahenten Norbert Hofer gegenüber den Medien ausnutzen wollen, erreicht: Kurz war vom Vorwurf sichtbar überrascht und erst einmal sprachlos. Das war’s dann aber auch schon mit der sozialdemokratischen Strategie, Kurz über die persönliche Bande Janusköpfigkeit zu unterstellen. Denn den Vorwurf, den Rendi-Wagner im ORF erhob, schwächte sie zwei Tage später im oe24.TV-Duell schon wieder ab. „Ich hab ja nur gesagt“, leitete sie mehrfach Rechtfertigungsversuche ein. Auch in der SPÖ hat man offenbar eingesehen: Der gewünschte Effekt der Desavouierung von Kurz hatte sich nicht so recht eingestellt.

Was hätte Sebastian Kurz Medienoffensive genützt?

Mitleidseffekt. Auch inhaltlich hält die Breitseite, der Ex-Kanzler hätte seinen Sprecher angewiesen, Journalisten von Hofers Fieberschub zu informieren, einer Prüfung nicht vollinhaltlich stand. Denn was hätte diese Information denn bewirken sollen außer einem gewissen Mitleidseffekt mit Hofer? Und das wollte sein Debattengegenüber Kurz mit seiner Medienoffensive wohl nicht erreichen.

Der Tee-Schmäh. Es gibt übrigens ein sehr eindrückliches historisches Beispiel dafür, wie ein physisch schwächelnder Kandidat aus seiner Schwäche eine Stärke machte. 1995 bei der vorgezogenen Nationalratswahl hatte Herausforderer und Vizekanzler Wolfgang Schüssel von der ÖVP die Debatte gegen SPÖ-Chef und Kanzler Franz Vranitzky zwar inhaltlich dominiert. Vranitzky war aber sichtlich krank, schwitzte, griff oft zum Taschentuch und ließ sich auch noch Tee servieren.

Zuneigung zwischen Rot und Türkis nicht gesteigert

Schon damals Emotion. Der Tee-Schmäh zeitigte folgenden Effekt: Im ORF-Zentrum gingen Hunderte Anrufe ein, in denen sich die Bürger darüber beschwerten, wie unanständig die Angriffe auf den kranken Kanzler denn gewesen seien. So viel zur rationalen und faktenorientierten Einschätzung von Wahlduellen. Schon damals regierte die Emotion.

Scharmützel ändert nichts. Die Wahlentscheidung der Österreicherinnen und Österreicher wird dieses Scharmützel wohl kaum noch entscheidend beeinflussen.

Ein weiterer Dämpfer. Eher schon wirken solche emotionalen Aufwallungen bei Koa­litionsverhandlungen nach. Nun darf man die persönliche Ebene zwar nicht überbewerten, denn auch Heinz-Christian Strache und Sebastian Kurz richteten sich 2017 im Wahlkampf beileibe nicht nur Freundlichkeiten aus – und danach regierte man zumindest nach außen hin über weite Strecken harmonisch. Aber die Zuneigung zwischen Volkspartei und Sozialdemokraten hat sich in den vergangenen Tagen wohl nicht entscheidend aufgebaut. Eher war es im emotionalen Haushalt der beiden staatstragenden Parteien der Zweiten Republik ein weiterer Dämpfer auf bereits niedrigem Niveau.

SPÖ auszuschließen, 
wäre taktisch falsch

SPÖ muss Option bleiben. Der wahrscheinliche Wahlsieger Sebastian Kurz wird sich in seiner skeptischen Haltung gegenüber der SPÖ bestätigt fühlen. Die Sozialdemokratie muss zwar weiter eine Option für ihn bleiben, denn auch die anderen Varianten Türkis-Blau und Türkis-Grün-Pink haben eklatante Schwächen. Die SPÖ also von vornherein auszuschließen, ist taktisch falsch – und außerdem hofft die ÖVP, in den letzten Wahlkampftagen noch auf Wählerzuflüsse aus dem sozialdemokratischen Lager.

Veränderungserzählung. Aber Kurz weiß auch, dass er sich seine 2017 so erfolgreich aufgebaute Veränderungs­erzählung im Fall einer Wiederbelebung der alten „großen“ Koalition (nur unter umgekehrten Vorzeichen mit der SPÖ als Juniorpartner) abschminken kann.

Wer wird eventuell Rendi-Wagner nachfolgen?

Schicksal der Juniorpartnerin. Manche in der ÖVP hoffen aber auch, dass sich an der SPÖ-Spitze nach einem zu ­erwartenden Minus der So­zialdemokraten am Wahltag personell einiges tun könnte. Hans Peter Doskozil wird zwar häufig genannt, wäre aber wohl intern schwer konsensfähig und hinterließe wenige Monate vor der Landtagswahl eine deftige Lücke in der SPÖ-Hochburg Burgenland.

Als Alternative bringen auch SP-interne Kritiker immer häufiger Doris Bures 
ins Spiel. Aus Sicht der SPÖ bleibt jedenfalls ein Problem: Selbst wenn man die Chance bekommt, eine Neuauflage von Türkis-Blau „zu verhindern“ (Rendi-Wagner zuletzt auf oe24.TV), ist es fraglich, wie ein solcher Schritt der SPÖ mittelfristig bekommt. Das Schicksal des Juniorpartners in der Regierung kann man sich am Beispiel der SPD in Deutschland oder auch der ÖVP vor Kurz eindrücklich vor Augen führen.

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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