Wahl-Analyse

Wahlkampf-Finish: Jetzt geht's ums Mobilisieren

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Polit-Experte Josef Kalina erklärt, wie die Nationalrats-Wahl läuft: Im Finish müssen die taktischen Wähler ins Boot geholt werden

Im Wahlkampf-Finish nicht nachlassen. Nur noch wenige Tage bis zur Nationalratswahl und für alle Parteien geht es jetzt um die Mobilisierung. Denn die wichtigste Aufgabe im Finish einer Wahlbewegung ist, bis zum allerletzten Tag nicht nachzulassen: Denn wirklich „unentschlossen“ sind jetzt noch kaum mehr als 10 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Aber ob die, die sich in Umfragen für eine bestimmte Partei deklarieren, dann am Wahlsonntag auch wirklich zur Wahl gehen und diese Partei auch ankreuzen, oder ob sie doch nicht motiviert genug sind und zu Hause bleiben, das ist ganz entscheidend für das Ergebnis. Und so heißt es jetzt für alle Wahlkämpfer: dranbleiben, Botschaften verstärken, Köder auswerfen, damit so viel Sympathisanten wie möglich am 29. September aufstehen und zur Urne schreiten.

FPÖ warnt vor einer Kurz-Koalition mit den Grünen

Heikel: Die taktischen Wähler. Und noch eine ganz besonders heikle Gruppe muss jetzt angesprochen werden: die taktischen Wählerinnen und Wähler. Sie zieht es erfahrungsgemäß immer in eine grundsätzliche Richtung, aber nicht unbedingt nur zu einer Partei. So ist es kein Zufall, dass die aktuellen FPÖ-Plakate ganz gezielt jene Menschen ansprechen, die mit der türkis-blauen Regierung einverstanden waren, aber jetzt nicht sicher sind, ob Kurz wirklich wieder mit Hofer (und vor allem Kickl) regieren will. Hofer und Kickl warnen davor, dass Kurz so stark werden könnte, dass er die FPÖ nicht mehr braucht und lieber mit den Grünen zusammengeht, um sich weitere „Einzelfälle“ in Zukunft zu ersparen.

Die türkise Kernbotschaft. Auf der anderen Seite drücken die türkisen Strategen die Umfrageergebnisse, um Sebastian Kurz nicht als sicheren Sieger erscheinen zu lassen und Spannung aufrechtzuerhalten. Ihre Kernbotschaft, „wer Kurz will, muss Kurz wählen“ zielt auf dieselbe Zielgruppe mit der Botschaft, wer die rechte Regierung fortsetzen will, muss für Kurz stimmen.

SPÖ muss Rückfluss zu den Grünen verhindern

Schlechtes Gewissen wegen Grüner. Für die SPÖ und Pamela Rendi-Wagner wiederum geht es darum, zu verhindern, dass allzu viele, die möglicherweise ein schlechtes Gewissen haben, weil 2017 die Grünen aus dem Nationalrat geflogen sind, jetzt Kogler folgen. Rendi wird im Finish daher nicht müde zu betonen, dass es „eine Alternative zur Ibiza-Koalition gibt“, die aber nur Chance auf Realisierung hat, wenn die SPÖ stark genug ist.

Retourfahrkarte zur SPÖ? Und auch Werner Kogler bedient diese Geschichte, tut sich damit aber besonders schwer: Denn er hat zwar im Westen des Landes genug Funktionäre, die schon jetzt auf Landesebene mit der ÖVP zusammenarbeiten und daher damit kein grundsätzliches Problem haben.

Aber den Wiener Grünen, die prononciert links positioniert sind, stellen sich alle Haare auf, wenn sie auch nur daran denken, die Zuwanderung gemeinsam mit Kurz regeln zu müssen. Sie fürchten, dass bei Türkis-Grün genau jene, die jetzt „zurück zu den Grünen“ gefunden haben, diesen Sündenfall bei der 2020 in Wien anstehenden Gemeinderatswahl mit einer Retourfahrkarte Richtung Michael Ludwigs SPÖ „belohnen“ würden.

Neos sind Pendler zwischen den Welten. So bemühen sich alle Parteien außer Pilz darum, Willen zum Regieren zu zeigen. Sie bekennen sich zu Verantwortung und lassen uns wissen, was sie tun würden, könnten sie mit Kurz über den Einzug in die künftige Bundesregierung verhandeln.

Gut so: Denn so erfahren wir klarer als zuvor konkrete Pläne der Parteien. Aber recht klar ist, dass es nur mehr auf der Rechten Bewegung zwischen ÖVP und FPÖ gibt und auf der Linken die Taktierer zwischen Rot und Grün schwanken.

Einzig die Neos sind Pendler zwischen den Welten, müssen sie doch bürgerliche Schwarze genauso ansprechen wie Lifestyle-Wähler, unter denen sie mit den Grünen um Stimmen buhlen.

Josef Kalina war Kanzlersprecher unter Klima, SPÖ-Bundesgeschäftsführer und gründete gemeinsam mit Peter Hajek das Markt- und Trendforschungsinstitut Unique Research.

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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