Die Außenminister der EU-Staaten beraten in Brüssel über die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Mit Besorgnis werden vor allem die zunehmenden Waffenstillstandsverletzungen in der Ostukraine gesehen. Es wird befürchtet, dass Kremlchef Wladimir Putin die dortigen Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen als einen Vorwand für einen Einmarsch in das Nachbarland nutzen könnte.
Zu einem gemeinsamen Frühstück mit den Ministern wird auch der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erwartet. Unter anderem wird Kuleba am Montag auch mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) sprechen. Schallenberg sagte, auf diplomatischer Ebene müsse weiterhin alles unternommen werden, eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden. Bezüglich angedrohter Sanktionen gegen Russland betonte er, dass "Abschreckung und Dialog" das richtige Mittel sei. Wenn es aber zu militärischen Aktionen Russlands komme, "wird es massive Sanktionen geben, die wir nicht wünschen, aber wir werden sie machen müssen".
Ukraine hofft auf Unterstützung
Die Ukraine fordert von der EU rasch zu handeln. "Sanktionen sind eine Reaktion, wie eine Art Bestrafung, das kann und sollte man nicht im Vorfeld machen", sagte Schallenberg vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. Übergriffe an der Kontaktlinie "haben wir leider Gottes die vergangenen Jahre öfters gehabt, das ist noch nicht die militärische Aggression von Russland", betonte er weiters. Aber die "Zeichen stehen auf Sturm, wir haben fast zwei Drittel der konventionellen Streitkräfte Russlands, die an der ukrainischen Grenze stehen".
Zu wenig Aufmerksamkeit bekommen nach Meinung Schallanbergs die jüngsten Entwicklungen in Belarus (Weißrussland). "Im Schatten des Russland-Ukraine-Konflikts sehen wir mehr oder weniger eine Annexion von Belarus", sagte der Außenminister. Belarus und Russland halten seit zehn Tagen gemeinsam ein großes Militärmanöver ab. Präsident Alexander Lukaschenko habe "zu einem gewissen Grad die Souveränität" des Landes abgegeben. "Ich habe Zweifel daran, dass die Russen jemals wieder Belarus verlassen werden."
Von der Leyen will "massiver Konsequenzen"
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstrich unterdessen ebenfalls die Drohung des Westens, dass Russland im Fall eines Angriffs auf die Ukraine "massive Konsequenzen" zu erwarten hat. Zum angedachten Sanktionspaket sagte sie in einem Interview der ARD-Sendung "Anne Will": "Die Finanzsanktionen bedeuten für den Kreml, dass wenn sie militärische Aggressionen gegen die Ukraine fahren, Russland im Prinzip abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten." Und die Wirtschaftssanktionen beträfen auch "alle die Güter, die Russland dringend braucht, um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren, die aber von uns hergestellt werden, wo wir globale Dominanz haben und die Russland nicht ersetzen kann". Russland habe eine klare Schwachstelle, das sei seine Wirtschaft, "die im Prinzip fast ausschließlich ausgerichtet ist auf die alten fossilen Brennstoffe, Energieträger, nämlich Öl, Kohle und Gas".
Von der Leyen sprach sich zugleich dagegen aus, die Sanktionen bereits jetzt zu verhängen, wie von der Ukraine angesichts der jüngsten Eskalation gefordert. Vor dem Hintergrund der Russland-Ukraine-Krise äußerte sie aber auch Zweifel an der Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland. Mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte von der Leyen: "Es wird für ihn nicht einfach sein, auch seiner Bevölkerung zu erklären, warum er die Ukraine angreift und warum er sehenden Auges diese massiven Konsequenzen für Russland in Kauf nimmt."
Russland vermutet Einamrsch
Die US-Regierung hat Insidern zufolge ein erstes Sanktionspaket gegen Russland schon vorbereitet, das auf den Bankensektor abzielt. Vorgesehen sei unter anderem, US-Finanzinstituten die Abwicklung von Transaktionen für große russische Banken zu verbieten, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von drei mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Ziel der Maßnahmen sei es, der russischen Wirtschaft zu schaden. Die Sanktionen sollen den Angaben zufolge nur im Falle einer russischen Invasion der Ukraine umgesetzt werden.
Einem Zeitungsbericht zufolge lehnte die Europäische Union die Forderung der Regierung in Kiew nach einer eigenständigen militärischen Ausbildungsmission ab. Stattdessen einigten sich die zuständigen EU-Gremien Ende vergangener Woche intern auf eine Beratungsmission im Rahmen der sogenannten Europäischen Friedensfazilität (EPF), die aber zunächst nur ein Jahr dauern und dann neu bewertet werden soll, berichtet die deutsche Zeitung "Die Welt" unter Berufung auf EU-Diplomaten. Die EU-Außenminister sollen laut Bericht die Maßnahme bei ihrem Treffen am Montag in Brüssel offiziell absegnen und verkünden. Deutschland und Italien hatten sich nach Angaben des Blattes gegen eine eigenständige Ausbildungsmission ausgesprochen, um die Russland nicht zu provozieren.
Weitere Themen auf der Tagesordnung des Außenministertreffens sind die Lage in Bosnien und Herzegowina und in Mali. Bosnien und Herzegowina befindet sich nach Einschätzung der EU in einer der schwersten politischen Krisen seit dem Ende des bewaffneten Konflikts im Jahr 1995. Mit Blick auf Mali muss die EU entscheiden, ob sie infolge des jüngsten Putsches in dem Land ihren Ausbildungseinsatz für die malischen Streitkräfte beendet.