Hundstorfer & Van der Bellen

"Wenn Mehrheit FP wählt, haben wir ein Problem"

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Interview: SP-Kandidat und Grün-Kandidat über Angelobung von Strache.

ÖSTERREICH: Was Sie zwei unterscheidet: Rudolf Hundstorfer kandidiert klar als SPÖ-Kandidat. Sie aber nicht als Grüner. Warum betonen Sie so Ihre Unabhängigkeit? Ist Partei­politik denn so out?

Alexander Van der Bellen: Nein, Parteipolitik ist überhaupt nicht out. Jede Nationalrats- oder Landtagswahl braucht eine Organisation, aber der Bundespräsident muss überparteilich sein.

ÖSTERREICH: Sobald er gewählt ist. Aber davor kann er schon eine Parteizugehörigkeit haben, oder?

Van der Bellen: Natürlich. Und die haben wir beide auch. Ich habe in den letzten zwei Monaten festgestellt, dass Journalisten dazu neigen – Pardon –, in tagespolitische Themen abzuschweifen. Das ist aber nicht die Rolle des Bundespräsidenten. Er versucht, Richtungen zu skizzieren und große Linien zu definieren, aber es ist nicht seine Aufgabe, etwa Detailfragen der Grundsicherung zu diskutieren.

ÖSTERREICH: Ist für Sie die Partei (SPÖ) Hindernis oder Vorteil?

Rudolf Hundstorfer: Ich sehe es weder als Vorteil noch als Hindernis. Fakt ist, man braucht einerseits Grundstrukturen in einem Wahlkampf. Ich bekenne mich dazu, dass die Sozialdemokratie meinen Wahlkampf unterstützt, dass ich Parteikandidat bin und die SPÖ das durch einen einstimmigen Beschluss deklariert hatte. Aber klar ist, dass ich als Bundespräsident überparteilich wäre. Wo ich konträr stehe, ist bezüglich der Linie der Frau Griss, die sich selbst als unpolitisch deklariert. Das halte ich gefährlich für die Demokratie. In einer Demokratie muss man sich bei Wahlen irgendwann deklarieren.

ÖSTERREICH: Sind Sie für die Schließung der Balkanroute? Und nach diesem Obergrenzengutachten, das die Zahl von 37.500 für rechtswidrig hält: Ist eine Richtlinie/Obergrenze wirklich das richtige Rezept?

Hundstorfer: Ich glaube, es ist ein Signal, eine Art Hilferuf. Aber die Wahrheit ist, wir nehmen ja weiterhin Flüchtlinge auf. Ob das 37.509 oder 38.500 sind, über die Zahl kann man diskutieren. Aber Fakt ist, dass wir Kapa­zitätsprobleme haben. Wenn alle Bundesländer mitmachen würden, könnten wir Großquartiere entlasten, die wir dringend entlasten müssten. Wir müssen eine gemeinsame europäische Lösung zusammenbringen. Wenn das nicht gelingt, zerbricht Europa wirklich. Dann ist Feuer am Dach.

Van der Bellen: Ich habe es für einen Fehler gehalten, dieses Polizeiabkommen mit Slowenien, Mazedonien und Serbien zu treffen. Ohne wirklich vorher alle Möglichkeiten einer EU-Lösung auszuloten. Außenminister Kurz war viel am Balkan. Aber war er auch in den Hauptstädten der Union unterwegs? Ich habe das nicht registriert. Ganz abgesehen davon, dass wir in so einer Frage nicht Griechenland und Deutschland außen vor lassen können. Ob wir das mögen oder nicht, Deutschland ist nun einmal das wichtigste Mitglied der EU. Ich denke schon, dass Heinz Fischer hier im Großen und Ganzen richtig handelt. Ich hätte als Bundespräsident aber früher die juristischen Fragen gestellt. Ich habe es für falsch gehalten, zuerst Fakten zu schaffen und dann erst ein Gutachten zur Obergrenze in Auftrag zu geben, wohl wissend, dass diese Obergrenze verfassungsrechtlich nie halten kann.

Hundstorfer: Der jetzige Bundespräsident hat die zuständigen Regierungsmitglieder in fünf Wochen bereits dreimal eingeladen. Natürlich kann man als Bundespräsident was tun. Und wenn es notwendig ist, muss eben die halbe Regierung kommen. Zumindest redet die Regierung jetzt mit einer Sprache.

ÖSTERREICH: Verstehen Sie die Ängste der Bevölkerung wegen der Flüchtlinge?

Van der Bellen: Ich verstehe diese Ängste einerseits. Andererseits sind da auch viele Vorurteile dabei. Es ist aber nicht so einfach als Bundespräsident, Vorurteile abzubauen. Eine Rede alleine hilft da nicht. Ein Beispiel: Die Ereignisse in Köln waren absolut inakzeptabel. Sie wurden als Problem des Islams dargestellt. Allerdings waren das mehr oder weniger angesoffene Leute aus dem Maghreb. Eine Frage des Islams kann das also nicht sein, denn wenn der ­Islam etwas verbietet, dann ist das Alkohol.

Hundstorfer: Wo ich als Bundespräsident dagegen auftreten würde, ist diese massive Desinformation. Unlängst beschwerte sich jemand, dass bei ihm ums Eck 900 Flüchtlinge untergebracht wurden, es stellte sich heraus, dass 200 in einem Quartier in der Siemensstraße untergebracht sind. Eine politische Kraft, die FPÖ, versucht alles, um Ängste zu schüren und mit Desinformation zu agieren. Der Bundespräsident kann da mitwirken, immer wieder Fakten offenzulegen.

ÖSTERREICH: Laut sämtlichen Umfragen läge die FPÖ bei Nationalratswahlen mit über 30 Prozent auf Platz eins. Herr Hundstorfer, Sie würden einen Kanzler Strache angeloben? Sie, Herr Prof. Van der Bellen nicht, oder?

Hundstorfer: Der springende Punkt ist, dass wir eine stabile Mehrheit im Parlament brauchen. Inhaltlich bin ich bei Van der Bellen, ich teile nicht die Inhalte der FPÖ. Aber wenn das Szenario so wäre, dass die Mehrheit der Österreicher sich so entscheidet, dann ist es ein Problem, gegen den Wählerwillen zu entscheiden. Dann muss man als Bundespräsident seine persönlichen Befindlichkeiten zurückstellen. Ich wünsche mir das nicht, aber wenn es so ist, müsste man ihn angeloben.

Van der Bellen: Einer Regierung, die auf die Zerstörung des gemeinsamen Europas aus ist, stehe ich in der Tat mit äußerster Skepsis gegenüber. Wo Hundstorfer und ich divergieren: Hundstorfer sagt: Stabile Mehrheiten sind das Wichtigste. Ich sage: Ja, sie sind wichtig, aber nicht das Wichtigste. Eine stabile Mehrheit hätten wir jetzt auch. Aber woher kommt dann diese Unzufriedenheit mit der Regierung? Die kommt daher, dass SPÖ und ÖVP wie in einer zerrütteten Ehe nebeneinander her leben und keiner dem anderen auch nur den geringsten Erfolg gönnt. Und zweitens würde ich sagen, die Krise entsteht schon dann, wenn das Volk eine europafeindliche Partei zur stärksten Kraft macht. Dann haben wir schon die Krise und nicht erst dann, wenn der Bundespräsident überlegt, wie er sie entschärfen kann.

ÖSTERREICH: Würden Sie das Budget des Bundesheeres aufstocken?

Van der Bellen: Zur Budgetaufstockung sage ich ein „Ja, aber“. Gemessen am BIP ist das Budget für das Heer gering. Aber wenn man eine Milliarde mehr für das Bundesheer ausgibt, wo kommt das dann her! Nimmt man dann Geld, das man für Bildung oder Sozialaufgaben braucht?

Hundstorfer: Es ist unbestritten, dass es eine Aufstockung des Budgets für das Bundesheer braucht. Jeder Sektor braucht Geld, aber eine gewisse Bevorzugung für die Verteidigung ist nötig. Zum Glück hat es dafür auch bereits einen Sechs-Parteien-Antrag gegeben. Minister Doskozil plant gewisse Organisationsänderungen, aber er wird auch investieren müssen.

Interview: Isabelle Daniel

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