Das Interview zur Wien-Wahl

Vassilakou: »Rot-Grün 
in Wien muss weitergehen«

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ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner im Gespräch mit Maria Vassilakou.

ÖSTERREICH: Wie fällt Ihre erste Wahlkampf-Bilanz aus?

Maria Vassilakou: Es ist ein Wahlkampf, bei dem alles am Kopf steht. Er ist geprägt durch die Nervosität der SPÖ nach der Steiermark-Wahl und den Tabubruch mit Rot-Blau im Burgenland. Selten wurde ein Wahlkampf so von einem Thema – der Asylkrise – geprägt. Und nach der Oberösterreich-Wahl wird der Wahlkampf ganz von vorne beginnen. Wir haben eine gute Bilanz: 365-Euro-Ticket, Mahü, höchste Kindermindestsicherung in Österreich, die Wientalterrassen und vieles mehr. Jetzt müssen wir die Inte­gration der Flüchtlinge angehen. Das ist eine Chance: Wir brauchen dazu mehr Lehrer, gute Aus­bildungsplätze, raschen Wohnbau. Wien kann dadurch einen Sprung nach vorne machen.

ÖSTERREICH: Ist das ein Wahlkampf im Ausnahmezustand?

Vassilakou: In gewisser Weise ja. Weil die Flüchtlingsfrage alles überschattet und weil die Nervosität der SPÖ enorm hoch ist.

ÖSTERREICH: Viele glauben schon, dass Strache in Wien Erster werden kann.

Vassilakou: Ausgeschlossen – dafür ist der Abstand zwischen SPÖ und FPÖ noch viel zu groß. Die SPÖ wird klarer Erster werden, aber sie wird herbe Ver­luste einstecken, die FPÖ wird deutlich näher kommen.

ÖSTERREICH: Zahlt die SPÖ jetzt die Rechnung für Ihr rot-grünes Experiment?

Vassilakou: Rot-Grün hat der SPÖ genützt, es hat der Stadt und der SPÖ die fällige Erneuerung gebracht. Aber die SPÖ hat an Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil sie über Jahre Versprechen gebrochen hat. Sie erhält jetzt die Quittung für ihre Freunderlwirtschaft. Die Bürger wollen das nicht mehr.

ÖSTERREICH: Sie haben gesagt, die SPÖ hat sich ihre Ohrfeigen verdient.

Vassilakou: Das ist inhaltlich richtig, verbal zu hart. Ich wünsche niemandem Ohrfeigen. Die SPÖ hat sich ihre Probleme selbst zuzuschreiben. Ihre Strukturen sind veraltet, und mit Faymann hat sie eine schwere Hypothek in der Bundespolitik.

ÖSTERREICH: Haben sich die Grünen nicht auch manche Wähler-Ohrfeige verdient?

Vassilakou: Ich wüsste nicht, warum. Alle Umfragen sagen, dass wir gewinnen. Mein Wahlziel sind 15 Prozent, also ein Plus von zwei Prozent. Aber eines macht mir Sorgen: Die SPÖ führt einen Angst-Wahlkampf gegen Strache als Bürgermeister. Statt an die FPÖ verlorene Wähler zurückzuholen, schürt sie mit einem Anti-Strache-Panik-Wahlkampf Angst und will im grünen Teich Wähler fischen. Das kann Stimmen kosten, wenn zu viele Grün-Wähler dieser Panikmache auf den Leim gehen. Die SPÖ hat ihre gesamte Wahltaktik auf grüne Stimmen ausgerichtet.

ÖSTERREICH: Wollen Sie Rot-Grün fortsetzen?

Vassilakou: Auf jeden Fall. Es ist ein Erfolgsprojekt. Wir sind die einzige Stadt, wo Öffis billiger geworden sind, Sozialleistungen nicht gekürzt wurden, der Gratis-Kindergarten bleibt, Schulen und sogar wieder Gemeindewohnungen gebaut werden. Rot-Grün soll unbedingt weitergehen.

ÖSTERREICH: Die Alternative wäre Rot-Schwarz.

Vassilakou: Gott bewahre – dann hätten wir den Stillstand des Bundes auch in Wien. Noch grauenvoller wäre Rot-Blau. Der Bürgermeister schließt das aus – ich glaube ihm. Aber es gibt einen zweiten Michael in der Stadtregierung. Der gehört zur Transdanubien-Connection, zur „Südosttangente“. Ich weiß, dass die mächtigen SPÖ-Bezirke Floridsdorf, Donaustadt und Simmering mit Rot-Blau liebäugeln. Das wäre eine Kata­strophe, weil dann Hetze, Menschenverachtung zum Programm Wiens werden.

ÖSTERREICH: Was würde die Wiener bei fünf weiteren Jahren Rot-Grün erwarten?

Vassilakou: Vor allem muss es eine Offensive für Bildung und für billiges Wohnen geben. Die Stadterweiterung kann jedes Jahr 30.000 Arbeitsplätze bringen. Dazu gehört der Bau von 1.000 Gemeindewohnungen jährlich, ebenso wie der Ausbau der Öffis und mehr verkehrsberuhigte Zonen – ich will aus der ganzen Inneren Stadt eine verkehrsberuhigte Zone machen, den Schwedenplatz neu gestalten und auch die Ringstraße als Flanierboulevard angehen.

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