Das sagt ÖSTERREICH

Eine Neuwahl, die keiner braucht – die nur schadet

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Von Tag zu Tag wird sichtbarer, dass die größte Fehlentscheidung, die Sebastian Kurz in seiner Amtszeit als Kanzler getroffen hat, die Entscheidung für Neuwahlen war.

Kurz hatte am Tag nach dem Ibiza-Video alle Trümpfe in der Hand: Er hätte mit einer „zahmen“ FPÖ und einem streichelweichen Vizekanzler Norbert Hofer weiter mit Türkis-Blau regieren können (und vermutlich mit vereinten Kräften sogar Kickl dazu überredet, vom Innenminister zum Klubobmann zu wechseln).

Er hätte aber unter dem Schock des Ibiza-Videos auch zu Türkis-Rot mit einer ebenso pflegeleichten Vizekanzlerin Rendi-Wagner wechseln können (und alle hätten Verständnis für diesen Weg zu mehr Stabilität gehabt).

Stattdessen hat Kurz einen völlig unnötigen Neuwahl-Poker gestartet, dessen Folgen er jetzt wie der Zauberlehrling zu ertragen hat: Überall kommen aus dunklen Kammerln neue Schmutzkübel-Besen hervor, überall wird besudelt, beschmutzt, beschimpft.

Wir erleben mit Sicherheit den schmutzigsten Wahlkampf dieser Republik – einen Tiefpunkt politischer Kultur, von dem man sich schon jetzt nur mit Grausen abwenden kann.

Es wird aber noch viel ärger werden, weil jede Partei die andere mit möglichst viel Ibiza-Dreck bewerfen will, damit am Schluss alle gleich dreckig sind.

Wir leiden zugleich unter mindestens sechs Monaten totalem politischem Stillstand, bei dem unser Wirtschaftswachstum in den Keller fährt und alle Reformen und Entscheidungen auf „Hold“ sind.

Unser Land wird geführt von einer völlig untätigen Marionettenregierung, deren Minister 90 % der Österreicher bis heute (mangels Aktivität zu Recht) nicht kennen, und von einer liebenswerten Kanzlerin, die zwar mit ihren Chanel-Tascherln die Salzburger Festspiele eröffnet, aber keine einzige politische Tätigkeit setzt. Infrastruktur-, Digital-, Bildungs-, Umweltinitiativen – nichts gibt es mehr in diesem Land. Wir werden für diesen Stillstand teuer bezahlen.

Es ist ja entzückend, wenn der Ex-Kanzler ins Silicon Valley fährt, um sich anzusehen, wohin die rasend schnelle digitale Entwicklung geht. Aber vielleicht sollte sich Kurz von Google und Facebook erklären lassen, was passieren würde, wenn die ihren Betrieb sechs Monate lang stilllegen würden. Sie wären out of business.

Wir stehen also vor dem unnötigsten, unsinnigsten und unsympathischsten Wahlkampf der Geschichte. Acht Wochen lang werden jetzt täglich die Schmutzkübel ausgeschüttet. In der SPÖ entblödet sich mittlerweile nicht einmal mehr ein Landesvorsitzender, gefälschte Fake-Mails online zu stellen. Die Neos holen sich einen Rambo-Journalisten von Raiffeisen als Verstärkung im Catch-as-catch-can. Und selbst der bei der EU-Wahl noch so besonnene Grüne Werner Kogler rastet fast täglich aus.

Das Motto lautet: Alle gegen Kurz – koste es, was es wolle. Ob dieser Schmutz-Wahlkampf Kurz letztlich doch mehr Stimmen bringen wird, weil die Österreicher diese Art von Politik nicht wollen, oder ob Kurz von diesen Schmutz-Attacken letztlich in seinem Image schwer ­beschädigt wird (weil jedes Drecks-Gerücht irgendwie hängen bleibt), wird sich zeigen.

Fest steht: Ein von diesem Irrsinns-Wahlkampf vermutlich schwer gezeichneter Sebastian Kurz wird am 30. 9. wieder eine Regierung bilden müssen. Und es wird wieder Türkis-Blau werden, wenn in diesem Land irgend etwas weitergehen soll.

Türkis-Rot bedeutet (bei aller Sehnsucht nach Stabilität und sozialer Verantwortung) die Gefahr von Blockade und Stillstand wie in den letzten 20 Jahren.

Türkis-Grün-Pink bringt uns nur Chaos und Dauerstreit der Primadonnen Brandstätter, Kogler, Meinl-Reisinger, Köstinger, Blümel und Kurz. Da droht die nächste Neuwahl wohl schon in ein paar Monaten.

Basti fantasti wird also – so, als hätte es nie Neuwahlen und Schmutz-Wahlkampf gegeben – irgendwann Ende Oktober die türkis-blaue Regierung mit einem ewig grinsenden Norbert Hofer fortsetzen. Herbert Kickl wird als Klubobmann der neuen Liebe nicht mehr im Wege stehen. Und die Regierung wird versuchen müssen, den Schaden von sechs Monaten Stillstand wegzuräumen. Leicht wird das nicht werden.

Und wir blöden Wähler dürfen uns dann fragen: Wozu das ganze Theater? Wer hat diese Wahl gebraucht?

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