Das sagt ÖSTERREICH

Wir haben eine Staatskrise!

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Ein Kommentar von oe24-Chefredakteur Niki Fellner.

Was wir derzeit in Österreich erleben, ist beispiellos. Österreich steht leider nicht vor einer Staatskrise, wir sind schon mitten in ­einer Staatskrise!

Kanzler Kurz ist in einer fast ausweglosen Situation. Seine Ankündigung, nach dem Skandalvideo um HC Strache in Neuwahlen zu gehen, war alternativlos. Alles andere hätte nicht nur den Kanzler selbst, sondern vor allem auch das Land massiv beschädigt. Ein Weiterregieren mit der „Korruptionspartei“ FPÖ wäre unmöglich gewesen. Dann wären wir im Ausland endgültig als Bananenrepublik verrufen.

Auch die Ablöse von Herbert Kickl als Innenminister war für Kurz alternativlos. Sowohl der Bundespräsident als auch Kurz’ eigene Partei hätten Kickl als Innen­minister nicht akzeptiert. Kurz blieb im Endeffekt keine andere Wahl, als seinen „Intimfeind“ zu feuern.

Wenn Kanzler abgewählt wird, droht Stillstand

Was Kurz dabei unterschätzt hat, war der Solidaritätseffekt innerhalb der FPÖ. Kickl genießt in seiner Partei mittlerweile Heldenstatus – ist in der Basis deutlich beliebter als Strache und Hofer. Kurz hat bis zuletzt gehofft, dass er mit Hofer eine „staatstragende“ Lösung finden kann. Im Hintergrund hat in der FPÖ aber seit Samstag Kickl die Zügel in der Hand – und der hat den Wahlkampf bereits eröffnet.

Kurz droht jetzt der abso­lute Super-GAU. Bei der kommenden Sondersitzung könnten ihn SPÖ und FPÖ nach einem Misstrauensantrag stürzen. Das wäre einmalig! Österreich könnte dann ohne Kanzler dastehen. Der Bundespräsident müsste Kurz und die gesamte Regierung abberufen und eine Art „Masseverwalter“ für die Republik bestellen.

Österreich wäre somit bis Jahresende (bis wir eine neue Regierung haben) komplett führungslos. Sämtliche Reformen würden stillstehen. Das gerade durch die türkis-blaue Regierung angekurbelte Wirtschaftswachstum würde wohl einbrechen. Eine Katastrophe!

SPÖ muss jetzt als staatstragende Partei agieren

In Wahrheit schlägt jetzt die Stunde des Bundespräsidenten. Alexander Van der Bellen muss die Zügel in die Hand nehmen und diese Staatskrise abwenden. Er muss sowohl SPÖ als auch FPÖ klarmachen, dass eine Abwahl des Kanzlers unvorhersehbare Konsequenzen für unser Land haben würde.

Ob die FPÖ auf diese Forderung des Präsidenten eingeht, ist mehr als fraglich. Zu groß ist die Rachsucht am Kanzler, nachdem Kurz die Koalition aufgekündigt hat. Die FPÖ ist bereits voll im Wahlkampfmodus – und wohl nicht bereit dazu, ihren Erzfeinden Van der Bellen und Kurz irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Es bleibt also nur die SPÖ: Rendi-Wagner hat jetzt die Möglichkeit, sich erstmals als Staatsfrau zu präsentieren, die das Interesse des Landes über das ihrer eigenen Partei stellt. Das könnte ihr im Endeffekt mehr bringen als das parteipolitische Taktieren und der „Sturz“ von Sebastian Kurz.

Wenn Rendi klug ist, dann verhandelt sie sich jetzt heraus, dass SPÖ-Experten die FPÖ-Ministerien übernehmen und in den nächsten vier Monaten möglichst viele SPÖ-Kernthemen umgesetzt werden. Das wäre dann der erste Testgalopp für Türkis-Rot.

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