14. Mai 2008 12:58
Ab dem mittleren Lebensalter hat jeder zweite Mensch in Österreich
Bluthochdruck. Doch nur bei wenigen Hypertonie-Patienten wird er nach der
Diagnose ausreichend unter Kontrolle gebracht. Dabei sind etwa die Hälfte
aller Herzinfarkte und 75 Prozent der Schlaganfälle darauf zurückzuführen,
warnten Fachleute.
Angst vor Nebenwirkungen
Der Anlass für die Aktivitäten ist der
bevorstehende Welt-Hypertonie-Tag (17. Mai). Der Präsident der
Österreichischen Gesellschaft für Hypertensiologie, der Wiener Kardiologe
Jörg Slany: "Die Menschen haben Angst vor den Nebenwirkungen der Medikamente
und Schwierigkeiten mit der Unsicherheit der Blutdruckmessung, aber keine
Angst vor den (eigentlichen, Anm.) 'Nebenwirkungen' der Hypertonie." - Eben
Herzinfarkt, Schlaganfall, schleichendes Nierenversagen und Herzinsuffizienz.
90 Prozent betroffen
Bereits ein Drittel der österreichischen
Bevölkerung leidet an einem erhöhten Blutdruck. Im Laufe ihres Lebens
betrifft die Hypertonie in den westlichen Industriestaaten 90 Prozent der
Menschen. Der internationale Zielwert beim Blutdruck liegt bei einem Wert
von 140/80 mmHg (systolischer Wert während der Pumpphase des
Herzens/diastolischer Wert während der Ruhephase des Herzens).
Unter 135/85 mmHg
Eine Beobachtungsstudie unter 546 Wiener
Arbeitern zeigte deutliche Mängel in der Therapie: Knapp 65 Prozent der
diagnostizierten und per Medikament behandelten Hypertoniker hatte weiterhin
einen zu hohen Blutdruck. Slany: "Bei uns spricht man von einem unter
Kontrolle gebrachten Blutdruck, wenn der systolische Wert bei 150 mmHg
liegt." Das ist viel zu hoch. Bei der Selbstmessung zu Hause sollte der Wert
immer unter 135/85 mmHg betragen.
Trotz aller Bemühungen dürfte das Bewusstsein über die Problematik in der
österreichischen Bevölkerung sogar schwinden. Anita Rieder vom Institut für
Sozialmedizin der Universität Wien: "In einem 20-jährigen
Beobachtungszeitraum hat sich gezeigt, dass das Wissen um den eigenen
Blutdruck und die Häufigkeit der Messungen wieder zurückgehen."
Die Forderungen der Experten:
- Jeder Mensch sollte zu Hause einen Blutdruckmesser haben und diesen auch -
selbst wenn er kein Hypertoniker ist - von Zeit zu Zeit benutzen.
- Für die genaue Diagnose ist eine 24-Stunden-Messung notwendig. Dies wird
aber derzeit in der niedergelassenen Praxis nur von den Gebietskrankenkassen
in Salzburg und in der Steiermark in eingeschränktem Maß bezahlt.
Chronisches Nierenversagen
Kaum in der Öffentlichkeit bekannt:
Die Hypertonie ist der bedeutendste Risikofaktor für die Entstehung eines
chronischen Nierenversagens, das mit Dialyse oder Transplantation bzw. dem
Tod endet. Experte Bruno Watschinger: "Die Zahl der Dialysepatienten steigt
in Österreich pro Jahr um fünf Prozent." Auch das sei die Folge des
Bluthochdrucks als Volksseuche. Im internationalen Vergleich dürfte
Österreich ausgesprochen schlecht liegen. Aus den Daten über die Zahl der
jährlichen rund 20.000 Schlaganfälle und 4.000 bis 5.000 Todesfällen ergibt
sich, dass die Alpenrepublik bei der Häufigkeit des nicht ausreichend
kontrollierten Bluthochdrucks mit Finnland an der Spitze liegt.