16. Juni 2009 11:10
Im Rahmen einer Studie über Computerspielverhalten bei Jugendlichen führte
die Sigmund Freud PrivatUniversität Wien (SFU) in Kooperation mit der
Ambulanz für Spielsucht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz eine
Befragung von über 1000 Wiener Schülern und Schülerinnen durch.
Burschen doppelt gefährdet
Die Untersuchung zeigt, dass über
12% der 14-15 jährigen Befragten ein suchtartiges bzw. pathologisches
Computerspielverhalten und davon wiederum 2,7% eine Abhängigkeit vom
Computerspielen aufweisen. Die Zahl der männlichen Betroffenen ist in der
Gruppe der pathologischen Spieler ist im Vergleich zu den weiblichen
Betroffenen doppelt so hoch. 52% aller Befragten geben an, Spiele zu
spielen, die für ihr Alter nicht freigegeben sind.
"Die Studie ist ein wichtiger Beitrag zur Forschung im Bereich der
Spielsucht, aber auch in Zusammenhang mit jugendlichem Suchtverhalten. Der
Fokus in der Sucht- und Drogenhilfe wird mehr und mehr auch auf
substanzunabhängige Süchte gelegt, und dazu ist es wichtig, dass die
Forschung mit fundierten Ergebnissen die Grundlage dafür schafft",
so der Wiener Drogenkoordinator Michael Dressel.
Fluchtmöglichkeit von Problemen
Pathologische Spieler
verbringen im Schnitt mehr als fünf Stunden, abhängige fast acht Stunden pro
Tag mit Computerspielen. Dominik Batthyány, Leiter des Forschungsprojekts an
der SFU, betont, dass häufiges Spielen allein noch kein ausreichender
Hinweis für ein pathologisches Verhalten sei. Kritisch werde es erst dann,
wenn gleichzeitig Merkmale süchtigen Verhaltens auftreten. Oft zeigt sich,
dass Kinder mit krankhaftem Spielverhalten mit ihrer Lebenssituation
überfordert sind und über weniger Strategien zur Bewältigung ihres Alltags
verfügen als unauffällige Nutzer und Nichtspieler. Für viele Abhängige
stelle das Spielen eine Art Bewältigungsstrategie oder eine
Fluchtmöglichkeit von Problemen in ihrem wirklichen Leben dar, so Batthyány.
Betroffene erfahren, dass sie durch ihr exzessives Verhalten schnell und
effektiv Gefühle im Zusammenhang mit Frustrationen, Unsicherheiten und
Ängsten regulieren bzw. verdrängen und Stress bewältigen können. Virtuellen
Spielwelten werden so zum Zufluchtsort vor realen Problemen.
Charakteristisch für eine Abhängigkeit sei, dass die Betroffenen die
Kontrolle über ihr Verhalten verlieren. Dadurch komme es wie bei anderen
Süchten zu zahlreichen Problemen. Nach und nach verändern die Betroffenen
ihr Freizeitverhalten. Sie vernachlässigen Schule, Freunde und andere
Interessen und leiden bei Entzug unter Nervosität, Unruhe, Verstimmungen und
Aggressionen. Das sind dann typische Merkmale von Sucht, so Batthyány.
Die pathologisch computerspielenden Jugendlichen unterscheiden sich auch
signifikant von nicht-pathologisch Spielenden im Ausmaß des
Kommunikationsverhaltens und der Konzentrationsfähigkeit im Unterricht.
Computerspielen als Bewältigungsstrategie erschwert das Erlernen und
Entwickeln von alternativen Verhaltensmuster und adäquaten
Stressverarbeitungsstrategien für kritische Lebenssituationen. Hinzu kommt,
dass durch den zeitlichen Aufwand, der eine aktive Teilnahme an manchen
Computerspielen erfordert, Erfahrungen, die aus entwicklungspsychologischer
Sicht wichtig sind, zu kurz kommen können. Daher ist davon auszugehen, dass
ein exzessives Computerspielen im Sinne einer Sucht die psychische und
soziale Entwicklung eines Jugendlichen negativ beeinflussen kann.
Online-Rollenspiele besonders gefährdend
Dem erhöhten
Abhängigkeitspotential bestimmter Spiele werde bislang kaum Rechnung
getragen, kritisiert Batthyány. Altersempfehlungen orientieren sich
beispielsweise am Gewaltgehalt eines Spiels, nicht aber an deren Mechanismen
zur Spielbindung, an den für den Spielerfolg notwendigen Nutzungszeiten etc.
Die Altersbeschränkung von 12 auf 18 Jahre für bestimmte Spiele anzuheben,
würde dem Suchtpotenzial, den diese Spiele haben, Rechnung tragen. Dies
treffe beispielsweise auf Online-Rollenspiele wie "World Of Warcraft"
zu. Menschen sollten, so Batthyany, informiert werden, dass diese Spiele
potenziell schädlich sind.
Den Eltern rät Batthyány, sich über Altersbeschränkungen von Spielen zu
informieren (siehe PEGI, USK). Empfehlungen von besonders wertvollen Spielen
gebe zum Beispiel die Österreichische Bundesstelle für die
Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen BUPP heraus.
Darüber hinaus empfiehlt Batthyány Eltern, die Computernutzung ihrer Kinder
genau zu beobachten, auf Verhaltensänderungen zu achten und alternative
Freizeitaktivitäten zu fördern. Wichtig sei, sich für die Kinder Zeit zu
nehmen und mit ihnen darüber zu sprechen, warum sie spielen und was ihnen
daran gefällt. Ein Fehler sei, Computer grundsätzlich zu verteufeln.
Computerspielen könne auch einfach Spaß machen. Gemeinsames Spielen sei in
diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll. Tatsächlich könnten Eltern hier viel
von ihren Kindern lernen, so Batthyány.
Mehr Informationen:
PEGI - Pan European Game Information www.pegionline.eu/de
USK - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle www.usk.de
Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer-und
Konsolenspielen http://bupp.at
Beratung & Psychotherapie:
Sigmund Freud PrivatUniversität Wien
Kontaktstelle CSS - Computerspielsucht und Substanzungebundene Süchte
Schnirchgasse 9a, 2. Stock
A-1030 Wien
Telefon: +43/1/79 89 400
Email: css@sfu.ac.at