17. September 2007 09:25
Gelassenheit, Achtsamkeit, Respekt vor der Einzigartigkeit des neuen
Familienmitglieds, jeden Augenblick mit ihm genießen und vor allem mit Liebe
erziehen – für den 14. Dalai Lama, den Gottkönig Tibets, sind das die
Grundregeln buddhistischer Erziehung. Wie kinderfreundlich der Dalai Lama
ist, zeigt schon allein sein Abstecher ins SOS Kinderdorf Hinterbrühl (NÖ),
das er während seiner ÖSTERREICH-Visite besuchen will.
Praktische Tipps
Gelassen genießen – klingt schön, aber in der
Realität sehen diese Glücksmomente oft anders aus. Da herrscht Krieg auf dem
Spielplatz, weil Ihr Spross gerade die Sandburg eines anderen Kindes
niedergetrampelt hat. Der Spinat wird von Kindermund ausgespuckt, statt brav
geschluckt, das Zu-Bett-Bringen gestaltet sich zur täglichen
Sisyphos-Arbeit. „An manchen Tagen sind Kinder, egal wie alt, schlichtweg
unerträglich“, bringt es Familienexpertin Anne-Bärbel Köhle auf den Punkt.
Gemeinsam mit ihrem Kollegen Stefan Rieß hat sie nun einen Ratgeber
verfasst, der erklärt, wie Eltern die Prinzipien des Dalai Lama in der
alltäglichen Kindererziehung anwenden können, um mehr Gelassenheit und Ruhe
in die Familie einziehen zu lassen. Wir haben praktische Tipps aus dem
„Dalai Lama Prinzip für Eltern“ für Sie zusammengefasst.
Der Moment zählt
Erziehung im buddhistischen Sinne
bedeutet vor allem: mit Liebe erziehen. In der östlichen Praxis bedeutet
das, zu versuchen, jeden Moment mit den Kindern wertzuschätzen. Nicht zu
urteilen, ob es sich um gute oder schlechte Augenblicke handelt, sondern
jeden Wimpernschlag zu leben, ganz bewusst: Die Kinder hingerissen zu
betrachten, wenn sie friedlich schlummernd in ihrem Bett liegen. Sie
zärtlich selbst dann anzusehen, wenn sie vor lauter Zorn und Frust nicht
mehr zu schreien aufhören. Jeder Moment des Lebens wird Teil der
buddhistischen Praxis. Klingt schön, aber auch ein wenig blauäugig, werden
Väter und Mütter einwerfen. Aber: Mit der Praxis gelingt es immer öfter,
dass wir uns ganz und gar auf den Moment und unsere Kinder einlassen können
– gelassen, friedlich und freundlich.
Nächste Seite: Positiv denken
Es gibt – in jeder Situation – die Möglichkeit, sich auch die guten Seiten
des Lebens bewusst zu machen. Ihr Kind wirft mit Sand nach anderen Kindern?
Gerade hat es noch einen perfekten Sandkuchen gebaut und ist ganz allein
geschaukelt! Ihr Kind macht sich steif und kreischt herum? Dafür hat es
gestern seinen ersten Vier-Wörter-Satz gesagt und weiß bereits, was ein
Ventilator ist! Für alles Negative gibt es mindestens zwei positive
Gegenpole.
Konsequenzen
m belastende Gedanken zu verscheuchen, reicht es
oft aus, wenn man sich die Konsequenzen seiner Wunschvorstellungen oder
Befürchtungen ausmalt. Sie haben von der Elternrolle die Nase gestrichen
voll? Dann setzen Sie sich einmal damit auseinander, was es für Ihr Kind
bedeuten würde, wenn Sie nicht mehr da wären. Wie wird es aufwachsen? Wer
wird sich um Ihr Kind kümmern? Was wird es zu essen bekommen? Mit wem wird
es spielen? Denken Sie auch darüber nach, was es für Sie bedeuten würde,
wenn Sie nicht mehr Vater oder Mutter wären. Würden Sie sich dann
tatsächlich besser fühlen?
Zerstreuung
Jeder kennt es, wenn man negative Gedanken einfach
nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Da hilft oft, einfach etwas ganz anderes zu
tun. Vielleicht mit dem Kind in den Zoo fahren oder einen Stadtbummel machen
oder eine gute Freundin besuchen. Zerstreuung ist auf jeden Fall besser, als
sich mit sinnlosen oder belastenden Gedanken herumzuquälen. Vergessen und
Verdrängen sind eine vollkommen akzeptable Methode, um die Spirale negativer
Gedanken zu stoppen.
Nächste Seite: Neue Lösungen
Es gibt viele Möglichkeiten, um ein Problem zu lösen. Versuchen Sie sich
etwas Neues einfallen zu lassen. Geht es auf die eine Weise nicht weiter,
klappt es vielleicht auf eine ganz neue Art. Ihr Kind will nicht auf dem
Rücken im Kinderwagen liegen? Gut, vielleicht möchte es ja auf dem Bauch
liegen. Es will unter keinen Umständen eine Jacke anziehen? Vielleicht tut
es ja ein dicker Pullover auch! Es möchte nicht in die Babywanne? Vielleicht
will es lieber mit Mama oder Papa zusammen duschen. Es hat keine Lust zu
lernen? Dann sollte es vielleicht erst ein bisschen spielen und dann die
Aufgaben machen. Es ist wütend und drauf und dran, um sich zu schlagen?
Vielleicht kann man die schlummernden Zorneskräfte in ein Tobesspiel
umwandeln.
Keine Eskalation
Ein Streit zwischen Eltern und Kindern ist
prinzipiell in Ordnung, wenn die Auseinandersetzung sachlich, ruhig und
friedlich abläuft. Gerät sie aus dem Ruder, ist es sinnvoll, sich zunächst
aus der Situation zu verabschieden: das Zimmer zu verlassen, kurz um den
Block zu laufen, zehn Minuten zu meditieren und den Partner zu bitten,
derweil die Kinder zu übernehmen. Neue, kreative Gedanken entstehen nur in
der
Ruhe, in der Besinnung auf unsere Bedürfnisse.
Dalai-Lama-Prinzip für Eltern. Randomhouse, 13,40 Euro.