16. November 2007 08:51
Unwirksames hat - mit der entsprechenden Anpreisung als Placebo verabreicht
- oft erstaunliche Effekte auf Patienten. Diese subjektive Wirkung eines
Scheinmedikamentes kann bei 30 bis 80 Prozent liegen, hieß es bei einer
Pressekonferenz (Bayer Vital) in Wien. Umgekehrt funktioniert das ebenfalls.
Patienten, die eine bestimmte Nebenwirkung eines Arzneimittels erwarten,
leiden später besonders häufig daran. Das ist dann ein "Nocebo".
Dieser "Nocebo"-Effekt wurde 1961 zum ersten Mal beschrieben.
Mittlerweile
gibt es dafür zahlreiche Beweise:
- In einer Studie atmeten
Asthma-Patienten zerstäubte Salzlösung ein, völlig harmlos und eigentlich
ohne Auswirkungen auf die Betroffenen. Erzählt wurde den Probanden
allerdings, sie würden allergene Substanzen einatmen. 47,5 Prozent
reagierten mit Veränderungen des Atemwegwiderstands und einer Verengung der
Bronchien. Zwölf Teilnehmer erlitten gar einen Asthma-Anfall und konnten mit
der gleichen Lösung später - unter den dazu geeigneten Versprechungen - gar
kuriert werden.
- Wie aus einem Horrorfilm mutet ein Beispiel aus dem Massachusetts General
Hospital (Boston/USA) an, das 1961 als erstes Beispiel für diese
Erscheinungen dokumentiert wurde: Aus 600 Patienten, die sich einem
operativen Eingriff unterziehen mussten und große Angst davor hatten,
konnten die Forscher fünf Kranke ausfindig machen, die fest davon überzeugt
waren, am Operationstisch zu sterben. "Diese Menschen 'wussten', sie würden
sterben", heißt es in der Studie. Tatsächlich starben alle fünf Betroffenen
während des Eingriffs.
- In einer anderen Studie wurde Probanden eine Zuckerlösung verabreicht.
Erklärt wurde den Teilnehmern, sie würden ein Emetikum einnehmen, also eine
Substanz, die zum Erbrechen führt. Prompt übergaben sich 80 Prozent der
Probanden.
- Ähnliches lösen offenbar auch Zustimmungserklärungen zur Teilnahme an
klinischen Studien aus. Während einer solchen Untersuchung berichteten
Patienten, Aspirin einnahmen und über mögliche Nebenwirkungen im
Magen-Darm-Trakt aufgeklärt worden waren, dreimal häufiger über
entsprechende Symptome als nicht informierte Teilnehmer. Die
Studienabbruchrate war sogar sechsmal höher. Nicht bezweifelt wird damit
aber, dass der Aspirin-Wirkstoff ASS - so wie andere Antirheumatika -
natürlich durchaus in der Lage ist, Magen-Darm-Beschwerden zu erzeugen.
Negative Grundhaltung
Uwe Gessner, von der Bayer Vital GmbH
resümierte: "Eine negative pessimistische Grundhaltung des Patienten,
schlechte Erfahrung mit vorhergehenden medikamentösen Behandlungen, negative
Informationen, die der Patient vom Arzt, der Apotheke oder aus dem Internet
erhält, können ebenso Nebenwirkungen hervorrufen wie psychologische
Charakteristika, wie etwa Angst."