28. November 2007 13:02
Der Arzneimittelhersteller Pfizer bringt Anfang Dezember ein neues
HIV-Medikament auf den österreichischen Markt. Maraviroc ist der erste
Wirkstoff einer neuen Substanzklasse, die den Eintritt des HI-Virus in die
gesunde Zelle blockieren und dadurch die Ausbreitung der Infektion im Körper
unterbinden kann.
Neue Therapien
Seit der Entdeckung des HI-Virus in den
1980er-Jahren sind laut Angaben des deutschen Robert-Koch-Instituts mehr als
27 Millionen Menschen an Aids gestorben. Trotz umfassender
Aufklärungsmaßnahmen und neuen Therapien sind auch im vergangenen Jahr
sowohl die Zahl der HIV-Infektionen als auch die der Todesfälle weltweit
weiter gestiegen. Schätzungen der WHO zufolge lebten 2006 weltweit 39,5
Millionen Menschen mit HIV - Tendenz steigend. "Allein in Österreich
infizieren sich täglich ein bis zwei Menschen - das sind im Schnitt mehr als
400 Neuinfektionen pro Jahr", so Prim. Dr. Norbert Vetter vom
Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe Otto Wagner Spital in Wien.
Resistenzentwicklung
Vor rund 20 Jahren war die Diagnose HIV ein
Todesurteil. Der medizinische Fortschritt hat erreicht, dass AIDS zwar nach
wie vor nicht heilbar, jedoch gut behandelbar wurde. Mit der gleichzeitigen
Einnahme mehrerer Medikamente, der so genannten Kombinationstherapie HAART
(Highly Active Antiretroviral Treatment), gelang Mitte der 1990er-Jahre ein
therapeutischer Durchbruch. Ein Problem der lebenslangen HIV-Therapie sind
jedoch die schweren Nebenwirkungen der eingesetzten Therapeutika.
Unregelmäßige Einnahme und Therapieunterbrechungen sind die nachvollziehbare
Konsequenz der Patienten - eine Resistenzentwicklung der HI-Viren die
häufige Folge. Vetter dazu: "Problematisch ist dabei vor allem, dass das
Virus nicht nur gegen ein Medikament, sondern sogar gegen eine ganze
Substanzklasse resistent werden kann." Deshalb setzt die Behandlung erst in
einem späteren Stadium ein - wenn das Immunsystem schon deutlich geschwächt
ist. Weitere Probleme sind eine ungenügende Virus-Unterdrückung sowie die
Mutationsfähigkeit der Viren. "Es besteht daher die Notwendigkeit,
kontinuierlich neue Medikamente zu entwickeln. Zum Einen, um die Vermehrung
der Viren im Körper erfolgreich zu bekämpfen. Zum Anderen, um die
Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen und so die Lebensqualität der
Patienten zu verbessern", sagt der HIV-Experte. Eine neue, gut verträgliche
Substanzklasse kann schon zu Beginn einer HIV-Infektion oder für Patienten,
bei denen die bisherige medikamentöse Behandlung nicht ausreichend
erfolgreich war, großen therapeutischen Nutzen bringen: CCR5-Hemmer. Der
erste Vertreter dieser innovativen Substanzklasse ist ab Anfang Dezember nun
auch in Österreich verfügbar.
Erster Wirkstoff einer neuen Substanzklasse
Maraviroc ist ein
neues antiretrovirales Medikament zur Therapie von HIV-Patienten. Bisherige
HIV-Medikamente bekämpfen die virale Vermehrung im Inneren der weißen
Blutzellen, die das Virus zur eigenen Vervielfältigung benötigt. Im
Gegensatz dazu kann mit Maraviroc erstmals verhindert werden, dass die
HI-Viren überhaupt in gesunde Zellen eindringen. "HI-Viren nutzen
Eiweißstrukturen auf der Zelloberfläche für das Eindringen in die
menschliche Immunzelle: CCR5- und X4-Rezeptoren. Maraviroc blockiert den
CCR5-Korezeptor, den das HI-Virus für das Eindringen in die Zelle benötigt",
erklärt Vetter. "Ein Virus, das nicht in die Zelle eindringen kann, stirbt
innerhalb von zwei Tagen ab." Mit diesem neuen Prinzip lässt sich die Anzahl
an HI-Viren im Blut effektiv senken.
Gute Wirksamkeit und Verträglichkeit
Maraviroc wurde 1997
in den Forschungslabors von Pfizer im britischen Sandwich entdeckt. Der
Wirkstoff wurde systematisch erforscht und innerhalb von 10 Jahren zu einem
neuen HIV-Medikament entwickelt. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des
neuen Präparates wurde in zwei internationalen Zulassungsstudien
nachgewiesen.