13. Jänner 2009 12:43
Das werden die Standesvertreter der österreichischen Ärzteschaft nicht gerne
hören: Senioren mit internen Erkrankungen erhalten offenbar häufig viel zu
viele und auch die falschen Arzneimittel. Doppelverschreibungen,
Fehldosierungen und akute Arzneimittel-Nebenwirkungen sind scheinbar an der
Tagesordnung. Das hat eine Studie von Salzburger Universitätsmedizinern und
Krankenhausapothekern ergeben, die vor kurzem jetzt in der Wiener Klinischen
Wochenschrift veröffentlicht wurde.
Mehr als sechs Medikamente
Jochen Schuler von der Salzburger
Universitätsklinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin und
die Co-Autoren haben bei 543 Patienten, 60,2 Prozent davon Frauen,
analysiert, welche und wie viele Arzneimittel die Kranken bei der Aufnahme
ins Spital einnahmen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 82 Jahre.
Untersucht wurde auf sogenannte "Polypharmakotherapie", also die Einnahme
von mehr als sechs Arzneimittel, Dosierung etc. In die Studie aufgenommen
wurden drei Monate lang alle Patienten mit internen Erkrankungen über 75,
die in die Spitalsabteilung aufgenommen worden waren. Die Ergebnisse könnten
betroffen machen:
- Im Mittel nahmen die Patienten 7,5 Arzneimittel ein (Frauen: 7,8; Männer:
6,8).
- 58,6 Prozent der Kranken schluckten mehr als sechs Medikamente
und erfüllten damit das Kriterium der Polypharmakotherapie.
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Verzichtbare Medikamente wurden bei 36,3 Prozent aller Patienten gefunden.
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Für alte Menschen inadäquate Arzneimittel fanden sich bei 30,1 Prozent.
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Fehldosierungen gab es gar bei 23,4 Prozent.
- Bei 65,8 Prozent der
Kranken gab es durch die verwendeten Medikamente die Gefahr von
Wechselwirkungen. Das traf auf 22,6 Prozent der Medikationen zu.
-
Unnötige Doppelverordnungen waren bei 7,6 Prozent der Patienten durch Ärzte
erfolgt.
- 17,8 Prozent der in die Salzburger Klinik aufgenommenen
Kranken litten unter unerwünschten Arzneimittelwirkungen. 56,7 Prozent
dieser Patienten wurden sogar deshalb hospitalisiert.
Nebenwirkungen
Bei der unnötigen Arzneimitteleinnahme (bei 36,3
der Patienten und 6,8 Prozent der Verschreibungen) stachen die Substanzen
Pentoxiphylline (Durchblutung), Ginkgo biloba und Allopurinol (Gicht) als am
häufigsten verwendet hervor. Die am häufigsten - ungeeignet für die Senioren
- verwendeten Substanzen waren Beruhigungsmittel (Benzodiazepine), Nifedipin
(Kalzium-Antagonist) und Amitriptylin (altes trizyklisches Antipsychotikum).
Bei den Medikationen mit potenziellen Wechselwirkungen war beispielsweise
auch die Kombination von Benzodiazepinen und Opiaten vertreten.
Die Autoren in ihrer Schlussfolgerung: "Polypharmakotherapie, unangemessene
Verschreibung und unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind bei älteren
internistischen Patienten in dem untersuchten österreichischen Zentrum
vergleichbar häufig wie in anderen westlichen Ländern. Zur Verbesserung der
Arzneimittelsicherheit bei dieser Hochrisikogruppe erscheint uns eine
bessere Verschreibungsqualität bedeutsamer als eine Verminderung der
Medikamentenanzahl." Die Studie hätte allerdings auch ihre Limits: Sie wurde
nur an einer Klinik und mit einer beschränkten Zahl von Patienten
durchgeführt. Außerdem sei es schwer, objektive Kriterien festzulegen
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