09. August 2007 14:21
300 mal süßer als Zucker, kalorienfrei und zu hundert Prozent natürlich ist
das Produkt, mit dem Paraguay die weltweite Lebensmittelindustrie
revolutionieren will. Schon vor Jahrhunderten tauchten die Guarani-Indianer
in dem südamerikanischen Land die Blätter der Stevia-Pflanze (stevia
rebaudiana bertoni) in ihre Heilgetränke, um sie schmackhafter zu machen.
Süßes Kraut
Nun befassen sich internationale
Industriekonzerne mit dem Kraut, dass süßt, ohne dick und abhängig zu
machen. Der 60 Zentimeter hohe Strauch, der in seiner Heimat den Namen
"süßes Kraut" trägt, hat die Aufmerksamkeit des Getränkekonzerns Coca Cola
auf sich gezogen. Nun hofft Paraguay auf klingende Kassen.
Coca Cola will Stevia produzieren
Coca Cola und die
Cargill-Gruppe, einer der bedeutendsten US-Lebensmittelhersteller, haben
kürzlich ihre Pläne vorgestellt, einen Süßstoff unter dem Namen Rebiana auf
Basis von Stevia zu produzieren. "Coca Colas Ankündigung hat großes
Interesse ausgelöst", sagt der Vorsitzende der paraguayanischen
Stevia-Handelskammer, Nelson Gonzales. Die weltweite Nachfrage sei derzeit
enorm hoch.
Ein Kilo kostet 70 Euro
Ein Kilogramm Stevia-Kristalle,
gewonnen aus rund 12 Kilogramm Pflanzenblättern, kostet je nach
Reinheitsgrad derzeit umgerechnet zwischen 30 und 70 Euro. Aus dieser
Goldgrube will Paraguay, wo die Hälfte der rund sechs Millionen Einwohner in
Armut leben, nun Profit schlagen. Die Regierung wirbt derzeit um
internationale Anerkennung als Ursprungsland der Stevia-Pflanze. Die
Produzenten haben sich bereits unter der Schirmherrschaft des
Industrieministeriums von Paraguay organisiert.
Zuckerlobby hat Import bis jetzt verhindert
Bisher ist Stevia
in den USA noch nicht zum Verzehr zugelassen. Die US-Lebensmittelbehörde hat
das Kraut als "gefährlichen Nahrungsmittelzusatz" eingestuft. In der
Europäischen Union ist die süße Pflanze nur als Nahrungsergänzungsmittel
oder in Kosmetika erlaubt. Die Zucker-Lobby wolle den Import des natürlichen
und ungefährlichen Produkts verhindern, kritisiert die Managerin des
paraguayanischen Stevia-Produzenten Emporio Guarani, Maria Teresa Aguilera.
Doppelter Bonus: Süß und gesund
Studien des
medizinischen Instituts an der Universität von Asuncion haben ergeben, dass
Stevia eine ganze Reihe positiver Einflüsse auf die Gesundheit hat: Es wirkt
entzündungshemmend, antibakteriell und ist förderlich im Kampf gegen
Diabetes, Bluthochdruck und Karies. Darüber hinaus hält der Süßstoff, anders
als das künstliche Aspartam, Temperaturen bis zu 200 Grad Celsius aus und
kann deshalb auch zum Backen verwendet werden. Chemisch hergestellte
Süßstoffe wie Aspartam und Saccharin stehen hingegen unter dem Verdacht,
krebserregend zu sein.
Stevia boomt in Asien und Südamerika
Anders als in Europa
und den USA, wächst in Argentinien, Brasilien und Ecuador der Markt für das
süße Kraut. In zehn Jahren hat sich die Anbaufläche im Nordwesten Paraguays
von 350 auf 1.500 Hektar fast verfünffacht. Auch der asiatische Markt boomt.
China hat bereits 20.000 Hektar Stevia angepflanzt und ist damit zum größten
Produzenten des Süßstoffs noch vor dem Herkunftsland Paraguay geworden. Vor
der chinesischen Konkurrenz hat das Unternehmen Emporio Guarani aber keine
Angst. "Die Heimat der Stevia-Pflanze ist genau hier", sagt Firmenmanagerin
Aguilera. Dank des Klimas könne in der Zeit, in der in China eine Ernte
heranwüchse, in Paraguay drei Mal geerntet werden.