29. April 2008 16:31
Belgien hatte Dutroux, Österreich hat den Fall F. Und die Geschichte von
Natascha Kampusch. Beschert das Mega-Verbrechen von Amstetten nun dem ganzen
Land einen Imageschaden? Erste Stimmen dazu werden laut.
Kampusch und jetzt noch dieser Fall
"Wenn man im Ausland
sagt, dass man Belgier ist, dann ist das Erste, worüber man angesprochen
wird oder meistens angesprochen wird, Dutroux. Ich glaube, wenn Österreicher
jetzt im Ausland sind, werden sie auch angesprochen über Kampusch oder jetzt
diesen Fall", sagte Pascal Weis aus der Redaktion des belgischen
Blattes "Het Nieuwsblad" gegenüber dem ORF.
"Wir hatten Pech, und jetzt haben die Österreicher Pech mit den Fällen
Natascha Kampusch und Josef F. Aber das hat nichts mit dem Land zu tun, das
ist Pech", ergänzt "Het Nieuwsblad"-Kollege Frank
Boosen.
"Langfristig kein Schaden"
Langfristig wird sich die
Berichterstattung jedoch nicht auf Österreichs Ruf im Ausland auswirken,
sind sich Cwrtila und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sicher: Das romantische
Bild mit Dirndl-Kleid und Kaiserin Sisi werde am Ende überwiegen. "Das
internationale Image Österreichs wird dadurch sicher keinen Schaden nehmen",
betonte Bachmayer. Tradition und Gemütlichkeit - diese Vorstellungen über
die Alpenrepublik seien sehr gut gefestigt.
Österreich kein "Land der Gewalt"
Hinzu komme
möglicherweise allerdings der Image-Aspekt der Schlampigkeit, sprich "laxe
Behördenkontrolle", da der Inzest-Fall so lange unentdeckt geblieben sei,
betonte Bachmayer. Grundsätzlich werde die Boulevard-Berichterstattungswelle
kurz Fragezeichen aufwerfen, aber bald abebben. Mittel- bzw. langfristig
werde Österreich als "Land der Musik" und nicht als "Land der Gewalt" da
stehen.
Zum dritten Mal Unbegreifliches
"Wie konnte das passieren?
Diese Frage stellt man sich in Österreich nach dem unbegreiflichen Geschehen
in Amstetten. Psychologen kommen zu Wort und in Leitartikeln ist man
entsetzt. Aber die Frage bleibt unbeantwortet in jenem Land, das zum dritten
Mal innerhalb kurzer Zeit vom Unbegreiflichen geschockt ist. (...) Vor zwei
Jahren gelang Natascha Kampusch unter aufsehenerregenden Umständen die
Flucht aus ihrer achtjährigen Gefangenschaft. Der Täter beging Selbstmord.
Im Februar vergangenen Jahres flog eine Mutter auf, die ihre Töchter unter
jämmerlichen Verhältnissen sieben Jahre lang in einem Haus in Linz
eingesperrt hatte. Davor entdeckte man auch in Wien ein Paar, das seine
geistig behinderte Tochter in einem kalten Zimmer gehalten und wie ein Tier
behandelt hatte", schreibt "Dagens Nyheter" aus Stockholm.
Autorität wird groß geschrieben
Der Zürcher "Tagesanzeiger"
münzt den Fall eher auf Niederösterreich hin: "Im
erzkatholischen Niederösterreich sind Worte wie Zivilgesellschaft und
Eigenverantwortung noch immer fremd. Lehrer, Priester, Bürgermeister sind
unangefochtene Autoritäten, der Landeshauptmann regiert wie ein feudaler
Fürst. In einer solchen Gesellschaft fragt man nicht nach. Wenn die
Obrigkeit nicht eingreift, wird alles schon seine Ordnung haben. Ein
Ingenieur ist hier noch eine Respektsperson. Zwei Enkelkinder (und
vermutliche Kinder) von F. gingen in Amstetten zur Schule. In welchen
Verhältnissen sie genau aufwuchsen, wollten die Lehrer nicht wissen. Es
waren halt ruhige Kinder. Da fragt man nicht nach. In Niederösterreich wird
Autorität noch groß geschrieben, hinterfragen klein."
Nicht der erste Fall in Österreich
Das polnische Blatt "Rzeczpospolita"
schreibt: "Das ist nicht der erste Fall dieser Art in Österreich. Vor
zwei Jahren schockierte das Land die Geschichte eines anderen Mädchens, die
von einem Perversen im Keller festgehalten wurde - Natascha Kampusch."