11. Februar 2009 14:53
Der ORF-General ersuchte in einem ORF-intern veröffentlichten Schreiben
seinen zuständigen Programmdirektor Wolfgang Lorenz, "dafür Sorge
zu tragen, dass bei aller Möglichkeit zu scharfer Kritik, Selbstkritik und
Satire pauschale Verunglimpfung unserer Mitarbeiter unterbleibt".
"Dorfers Donnerstalk"
Konkreter Anlassfall war eine
Ausgabe der Satiresendung "Dorfers Donnerstalk" vom 29. Jänner, in
der sämtliche ORF-Mitarbeiter als "unfähig, nicht engagiert,
unmotiviert, leistungsunwillig und leistungsunfähig" und die
Landesstudios als "politisch korrumpiert" dargestellt wurden.
Dass sich Wrabetz erst zwei Wochen nach der Sendung und der daraus
resultierenden ORF-internen Aufregung zu Wort meldet, begründet er damit,
dass nun "nach dem 'Abflauen' spontaner Gefühle eine sachliche
Auseinandersetzung möglich ist".
"Keine Zensur"
Grundsätzlich wolle Wrabetz nicht "wehleidig"
sein, auch seien weder die Geschäftsführung des ORF noch seine Mitarbeiter "sakrosankt".
Es sei auch "in verträglichen Grenzen möglich, dass Protagonisten
dieser Produktionen diverse Vorurteile gegenüber dem ORF und seinen
Mitarbeitern öffentlich bedienen, um 'billige Lacher' zu generieren".
"Zensur und Verbote sind für diese meine Geschäftsführung undenkbar"
- allerdings ebenso wenig pauschale Verurteilungen, schrieb der
Generaldirektor.
Verteidigung der Landesstudios
Zum Vorwurf, die Landesstudios
seien politisch "korrumpiert" meinte Wrabetz: "Wahr ist, dass
acht ORF-Landesstudios hervorragende, vollkommen unbestrittene objektive
Arbeit in der politischen Berichterstattung leisten. Nur weil es in einem
Bundesland öffentliche Diskussionen gibt, ist es unzulässig, die Arbeit der
anderen Landestudios pauschal herunter zu machen. Und auch in jenem
Bundesland, wo es Vorwürfe gibt, bemühen sich die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter um guten Journalismus."
Wrabetz spielt damit offenbar auf das Landesstudio Niederösterreich an, das
zuletzt wegen seiner Nähe zum niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann
Erwin Pröll wiederholt in der öffentlichen Diskussion stand.
ORF Niederösterreich reagiert
Der Landesdirektor des ORF
Niederösterreich, Norbert Gollinger, weist die erhobenen Behauptungen gegen
das Landesstudio auf das Schärfste zurück: Die Redakteurinnen und Redakteure
des Landesstudios gestalten mit hoher Professionalität und großem Engagement
eine objektive, kompetente und seriöse Berichterstattung, die vom Publikum
geschätzt wird. So hat die tägliche Fernsehsendung "NÖ heute"
von 2007 auf 2008 den Marktanteil von 46 auf 47 Prozent gesteigert. Auch die
Budgetvorgaben hält das Landesstudio ein.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass der ORF-Generaldirektor mit
seinen Aussagen das Landesstudio Niederösterreich meint", sagt
Landesdirektor Gollinger. "Wir fühlen uns davon jedenfalls nicht
angesprochen. Schließlich hat der ORF-Generaldirektor bei der Veranstaltung "10
Jahre ORF-Funkhaus in St.Pölten" am 6. November 2008 folgendes
erklärt: ´Das muss man sagen, das ist Unglaubliches, was hier geleistet
wird. Gerade in einem großen Bundesland steigen die Anforderungen
besonders.´ Dem ist nichts hinzuzufügen".
Kein Kommentar von Lorenz
Programmdirektor Lorenz wollte zu der
Geschichte kein Statement abgeben. Dafür reagiert auf ÖSTERREICH-Anfrage der
Kabarettist Alfred Dorfer:
Bisher keine Zensur
Unverständlich ist dieses Statement für
mich, weil es in Dorfers Donnerstalk zu keiner pauschalen Verunglimpfung der
ORF-Mitarbeiter kam, weder was ihre Korrumpierbarkeit noch ihre
Leistungsfähigkeit betrifft.
Überraschend ist das auch angesichts der Tatsache, dass in der Amtszeit
der jetzigen Geschäftsführung bislang weder Zensur noch andere
Einflussnahmen stattfanden und ein friktionsfreies Arbeiten möglich war.
Der ORF unter Programmdirektor Lorenz bewies bis dato eine unter früheren
Führungen undenkbare Toleranz auch gegenüber der Kritik am Unternehmen.