20. Dezember 2007 19:11
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz geht ein Jahr nach seinem Amtsantritt
mit der ÖVP hart ins Gericht. Im Bilanzinterview mit der APA kritisierte er
die politischen Angriffe der Partei auf den "unabhängigen Rundfunk" und
sprach von einem "Krieg" des ehemaligen Staatssekretärs und nunmehrigen
ÖVP-Mediensprechers Franz Morak. Fassungslos zeigte er sich auch über das
Verhalten einiger Kapitalvertreter im Stiftungsrat, deren Vorgehen er nach
Weihnachten "mit den Spitzen von Wirtschaftskammer und
Industriellenvereinigung" besprechen möchte. Daran, seinen Job aufzugeben,
denkt Wrabetz aber nicht, Pläne zur Ablösung einzelner Direktoren dementiert
er ebenfalls.
"Ich bin fassungslos in welcher Schärfe am Beginn des 21. Jahrhunderts ein
politischer Kampf gegen einen unabhängigen Rundfunk geführt wird und wie zum
Beispiel von irgendwelchen Politfunktionären auf einzelne Stiftungsräte
losgegangen wird. Das hat es in der Geschichte der zweiten Republik bisher
nicht gegeben", sagte Wrabetz. Besonders befremdet den ORF-Chef, "wie der
mit seinem Bedeutungsverlust ringende ehemalige Staatssekretär einen Krieg
entfacht. Ich hoffe, dass dem innerhalb der ÖVP Einhalt geboten wird", so
Wrabetz. Schließlich gebe es seit 40 Jahren den Konsens mit den
staatstragenden Parteien, "auch bei Meinungsunterschieden mit der
Geschäftsführung des ORF in Detailfragen die Gesamtinstitution nicht in
Frage zu stellen".
Kritik übte der ORF-Chef auch am Vorgehen einiger Kapitalvertreter im
Stiftungsrat, die "sich mit dem Betriebsrat gegen das Management verbündet"
und den Personalvertretern so de facto Rückendeckung in der Frage des
Gehaltsabschlusses gegeben hätten. "Ich bin mir sicher, dass sich einige
Wirtschaftsvertreter im Stiftungsrat für ihre Vorgangsweise ganz fest
genieren", meinte Wrabetz.
Nach Weihnachten will er deshalb "an die Spitzen von Wirtschaftskammer und
Industriellenvereinigung herantreten", um mit ihnen das Rollenverständnis
bezüglich der Kapitalvertreter im ORF-Stiftungsrat abzugleichen. "Vielleicht
ist es ja so, dass man ein Budget erst genehmigen kann, wenn der Betriebsrat
zustimmt. Ich habe das aber noch in keinem Wirtschaftsbuch gelesen. Im
Grunde erwarte ich mir, dass die Vertreter, die aus diesem Bereich kommen,
im Unternehmen wie Wirtschaftsvertreter handeln".
Auf die Frage, ob sein Team gehalten habe, was es versprochen habe, meinte
Wrabetz: "Es hat das gehalten, was ich mir versprochen habe, ja." Dass er
die Ablöse von Programmdirektor Wolfgang Lorenz plant und bereits Gespräche
mit potenziellen Nachfolgern führt, wies der ORF-Chef zurück. Lorenz und er
"haben Fehler gemacht und sie korrigiert, wir waren oft einer Meinung,
manchmal nicht, dann habe ich Entscheidungen getroffen, denn letztendlich
habe ich die Gesamtverantwortung. Zensuren verteile ich intern - nicht in
der Öffentlichkeit." Dass Informationsdirektor Elmar Oberhauser gerne den
Generaldirektorensessel einnehmen würde, glaubt Wrabetz auch nicht: "Er hat
mir versichert, dass das nicht so ist und dass er loyal zu mir steht. Ich
habe keinen Grund daran zu zweifeln."
Er selbst hege jedenfalls keine Abwanderungsgedanken, wie medial kolportiert
wurde. "Erstens hab ich den tollsten Job der Welt, zweitens fühle ich mich
den Mitarbeitern und dem Haus verpflichtet und drittens will ich nicht weg."
Dass der ORF ein "annus horibilis" hinter sich habe und nach einem Jahr
Wrabetz schlecht dastehe, will der ORF-Chef nicht gelten lassen: "Man muss
die Kirche im Dorf lassen. Wir schließen das Jahr mit einem Marktanteil von
knapp unter 40 Prozent ab, wir schreiben eine schwarze Null, die
Werbeeinnahmen sind stabil und die Umstellung auf DVB-T ist zu 80 Prozent
abgeschlossen. Außerdem haben wir eine Fülle neuer Programme etabliert, von
der 'ZiB 20' bis 'Wir sind Kaiser', die das Bild des ORF nachhaltig positiv
prägen."