04. April 2008 10:54
Bergwälder sind von den globalen Veränderungen, dem vielzitierten Global
Change, besonders betroffen. Klimawandel, Schadstoffeinträge oder auch
Landnutzungsdruck wirken sich im Gebirge vielfach fataler aus als etwa in
der Ebene. Wie Bewohner und Bewirtschafter von Bergwäldern mit den
Veränderungen umgehen sollen und können, steht im Mittelpunkt des Kongresses
"Mountain Forests in an Changing World", der noch bis Freitag in der
Universität für Bodenkultur (Boku) Wien organisiert wird.
Schwerkraft Schuld daran
Dass Bergwälder sensibler auf
Veränderungen reagieren, hat teils ganz banale Gründe. So spielt der Faktor
Schwerkraft eine entscheidende Rolle, an steilen Hängen wird etwa bei
Starkregen leicht Material abgeschwemmt, die Gefahr der Nährstoffverarmung
ist höher als in der Ebene, erklärte dazu Kongress-Organisator und
Boku-Professor Georg Gratzer vom Department für Wald- und
Bodenwissenschaften. In Bergwäldern können sich aber auch Feuer leichter
ausbreiten, einerseits durch aufsteigende heiße Luft nach oben, andererseits
werden abstürzende, brennende Zapfen Hunderte Meter weiter unten zu
"Feuerbomben".
Schwierige Nutzung
Aber auch die Nutzung und Pflege von
Bergwäldern und -forsten ist geländebedingt schwierig. Laut Schätzungen
leben weltweit rund 80 Prozent aller Bewohner der Bergwaldregion unter der
Armutsgrenze ihres jeweiligen Landes. "Ein vertikaler Armutsgradient ist
eindeutig feststellbar", so der Waldwissenschafter. Ausnahmen machen da nur
Gegenden, die auf Tourismus setzen, wie etwa auch Österreich.
Zunahme der Probleme
Die Probleme in vielen Bergwaldregionen
haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zugenommen und werden sich
weiter verschärfen, daran besteht für Gratzer kein Zweifel. So führt die
Verteuerung fossiler Energie zu einem zunehmenden Run auf Biomasse und somit
auch auf Holz, in manchen Regionen droht dadurch ein Nährstoffverarmung der
Wälder. Die Nahrungsmittelproduktion wird sich als zunehmende Konkurrenz für
die Wälder erweisen.
Gefahr Klimawandel
Nicht zuletzt bedroht auch der zu beobachtende
Klimawandel Bergwälder in ganz besonderem Maße. Während in der Ebene
Pflanzen und Tiere bei Klimaveränderungen relativ leicht ausweichen können,
sind Berge eher mit Inseln vergleichbar. Wird es wärmer, geht es nicht
unendlich nach oben, irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht, eine
Art oder auch eine ganze Lebensgemeinschaft verloren.
Kein Patenrezept
Patentrezepte, wie Bergwaldbewohner und -nutzer
mit den Veränderungen umgehen können und sollen, gibt es nicht, räumte
Gratzer ein. Nötig sei jedenfalls ein umfassendes Ökosystemverständnis,
Lösungen für eine nachhaltige Bergwaldbewirtschaftung müssten jeweils
maßgeschneidert werden. Als extrem wichtigen Faktor sieht Gratzer dabei die
sogenannte "Versicherungshypothese", die das Anlegen von möglichst
vielfältigen Mischwäldern empfiehlt.
Planung praktisch unmöglich
Bei Vorlaufzeiten von 60 Jahren
und mehr von der Saat bis zur Ernte ist es auch bei sorgfältigsten Planung
praktisch unmöglich alle möglichen Veränderungen miteinzubeziehen. Ist die
Vielfalt an Bäumen aber groß, so ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass
wenigstens ein Teil den Veränderungen trotzt und bis zur Ernte überlebt. Die
Zeit der Monokulturen scheint endgültig vorbei zu sein.
"Dies gilt allerdings nicht für die Plantagen, die immer häufiger für die
Produktion von Biomasse zur Energieerzeugung angelegt werden", so Gratzer.
Allerdings sei die Produktion in solchen Plantagen nur mit intensivem
Düngereinsatz möglich, was die positiven Effekte - wie die Festlegung von
Kohlenstoff - relativiere.