28. Mai 2008 11:00
© APA, Computersimulation
Zwei Jahre lang hat Silvio Berlusconi zusehen müssen, wie sein
Lieblingsprojekt - die längste Hängebrücke der Welt - in Vergessenheit
geriet. Kaum ist der Politiker an die Macht in Rom zurückgekehrt, hat der
Milliarden-Plan, eine Brücke über die Meerenge von Kalabrien nach Sizilien
zu bauen, sofort wieder Vorrang: In zwei Jahren soll der erste Stein für die "Ponte
sulle Stretto", von Befürwortern auch "das achte Weltwunder"
genannt, in Süditalien gesetzt werden.
Höher als der Eiffelturm
Und 2016 müsste dann fertig sein,
was die Golden-Gate-Bridge in den Schatten stellt und höher ist als der
Eiffelturm - fast vier Kilometer lang, sechs Milliarden Euro teuer, für
6.000 Fahrzeuge stündlich sowie 200 Züge am Tag. Die Baumeister der Mafia
reiben sich bereits die Hände, sagen Kritiker.
Geträumt von einer Brücke nach Sizilien hatten schon die alten Römer, und
auch Benito Mussolini wollte die Sache angehen. Mehrere italienische
Nachkriegsregierungen scheiterten an diesem Projekt der Superlative, das
Gegner für eine ungeheure Geldverschwendung halten: Die größte italienische
Insel verliere ihren Charakter, auch sollte eher ins marode Verkehrsnetz der
immer noch ärmlichen Stiefelspitze investiert werden. Doch der
Infrastruktur-Minister Altero Matteoli hat nicht nur bereits vorgegeben,
wann der Verkehr über das pharaonische Bauwerk rollen soll. Er argumentiert
auch unbeirrt: "Es ist ein Versprechen aus dem Wahlkampf. Die Brücke
bringt ganz Italien etwas, vor allem aber Kalabrien und Sizilien."
Erdbebensicher
Im "stop and go" geht es seit sechs
Jahren um das Wunderwerk, das Erdbeben von der Stärke 7,1 standhalten und
mit einer Spannweite von 3.300 Metern auch die japanische
Akashi-Kaikyo-Brücke noch um einiges übertrifft, die mit 1991 Metern die
bisher längste Hängekonstruktion ist. 2002 machte Berlusconi, seit dem
Vorjahr wieder an der Macht, mit einem Dekret Dampf. Der erste Spatenstich
wurde für 2006 angekündigt. Der Mega-Bau übers Wasser sollte 40.000 Jobs
schaffen, und alles privat finanziert werden. Doch dann wurde Berlusconi als
Regierungschef in Rom abgewählt. Sein Nachfolger Romano Prodi legte
kurzerhand auf Eis, was Kritiker schon "Berlusconi-Denkmal"
nannten.
Aber die Sizilien-Brücke ist wie das Ungeheuer von Loch Ness, das dann doch
wieder gesichtet wird. Eine finanzkräftige saudi-arabische Gruppe will in
italienische Infrastrukturprojekte investieren, auch in die Messina-Brücke.
Die für Jahre zur Seite gelegten Verträge sind noch gültig, und die
Regierung will eigens einen Staatssekretär abstellen, der das
Milliardenvorhaben überwachen muss. Im Amt wäre der Medienzar und Milliardär
Berlusconi wohl nicht mehr, sollte die Brücke mit den 382 Meter hohen
Pfeilern tatsächlich 2016 eröffnet werden - vielleicht hat er sich bis dahin
jedoch noch einen anderen Traum erfüllt und kommt dann als Staatspräsident
zur Feier.
Angst vor der Mafia
"Wie auch immer es jetzt kommt, die
sizilianische Mafia steht schon bereit und die kalabrische 'Ndrangheta auch",
so schrieb die Tageszeitung "La Repubblica". Es gibt viel Arbeit,
wie sie in Süditalien vor allem vom organisierten Verbrechen "koordiniert"
wird - erst in den Steinbrüchen, dann die Erdbewegungen, Transporte oder das
Mischen von Beton. Doch die Regierung in Rom blickt nach vorn: "Unsere
Techniker haben überall in der Welt gebaut", sagt Minister
Matteoli, "jetzt sollen sie einmal Großes in Italien bauen."
Da kann die Mautgebühr später auch nur ziemlich deftig ausfallen.