28. Mai 2008 12:55
Zwei US-Forscherteams präsentieren die Ergebnisse ihrer Langzeitstudien im
Online-Journal "PLoS Medicine". Die gefährlichen Auswirkungen des
Nervengifts auf Hirnstruktur, Intelligenzentwicklung und Verhalten sind seit
längerem bekannt, wurden jedoch nun erstmals in Langzeitstudien untersucht.
Blut regelmässig kontrolliert
Kim Dietrich und Kollegen von
der University of Cincinnati (US-Bundesstaat Ohio) verglichen dazu die
Bleibelastung bei Ungeborenen und Babys in armen Gegenden Cincinnatis mit
der lokalen Verbrechensentwicklung. Sie untersuchten zwischen 1979 und 1984
die Blutwerte von Schwangeren aus besonders bleibelasteten Stadtvierteln,
deren Häuser mit alten Wasserrohren vielfach auch bleihaltiger Wandfarbe
ausgestattet waren. Auch das Blut der 376 Neugeborenen wurde anschließend
regelmäßig kontrolliert, bis die Kinder sechseinhalb Jahre waren.
Höhere Kriminalitätsraten
250 dieser Kinder waren bis
zur Endphase der Studie dabei, die von deren 18. Geburtstag bis Oktober 2005
reichte: Die Forscher fanden heraus, dass erhöhte Bleiwerte vor der Geburt
und in den ersten Lebensjahren tatsächlich mit höheren Kriminalitätsraten
und häufigeren Gefängnisaufenthalten korrelierten - je fünf Millionstel
Gramm (ug) Blei pro Deziliter Blut im Alter von sechs Jahren stieg das
Risiko, später im Gefängnis zu landen, um rund 50 Prozent.
Buben stärker betroffen als Mädchen
Dazu passen die
Ergebnisse, die das Neurologen-Team um Kim Cecil ebenfalls von der
Cincinnati Universität ermittelte: Sie untersuchten mit bildgebenden
Verfahren die Hirnstrukturen von 157 jungen Leuten zwischen 15 und 17, die
in stark bleibelasteten Haushalten aufgewachsen waren. Es zeigte sich, dass
den Gehirnen der Jugendlichen an bestimmten Stellen Volumen fehlte - und
zwar umso mehr, je stärker die Bleibelastung als Baby gewesen war. Betroffen
waren vor allem Regionen, die für die Handlungsorganisation, Entscheidungen,
Verhaltensregulation und Feinmotorik wichtig sind. Generell waren Buben von
diesem Volumenverlust stärker betroffen als Mädchen.
"Dauerhafte Hemmung"
David Bellinger von der Harvard
Medical School in Boston nennt dies in einem Kommentar ein "deutliches
Warnsignal, dass frühzeitige Bleibelastung die Hirnentwicklung in einer
Weise hemmt, die wohl dauerhaft ist." Zur ersten Studie sagt er: "Selbst
wenn der Beitrag von Blei zum späteren Gefängnisrisiko ein geringer sein
sollte, ist er im Gegensatz zu den meisten anderen Kriminalitätsrisiken
einer, von dem wir wissen, wie wir ihn leicht abstellen können."