20. September 2007 18:12
161 Fotos umfasst das Album von SS-Obersturmführer Karl Höcker, des
Adjudanten des letzten Lagerkommandanten von Auschwitz, Richard Bär. Für
seine persönlichen Erinnerungen fotografierte Höcker den Alltag der
SS-Offiziere und ihrer Familien. Auf ein paar Fotos ist auch der berüchtigte
KZ-Arzt Josef Mengele zu sehen - einige der seltenen Aufnahmen seiner Zeit
in Auschwitz. Sehen
Sie hier das komplette Foto-Album.
Geschenk eines Geheimdienst-Mannes
Veröffentlicht hat das
Foto-Album das Holocaust-Museum in Washington. Das Museum erhielt die Fotos
zu Beginn dieses Jahres von einem pensionierten Geheimdienstoffizier der
US-Armee, der 1946 in einer Wohnung in Frankfurt auf das Album stieß und es
nun dem Museum schenkte.
Zynischer SS-Alltag
Die Fotos zeigen weder Gaskammern noch
Leichenberge, dennoch ist das Foto-Album von Karl Höcker für viele
erschütternd: "Auf den Fotos ist nichts Schreckliches zu sehen,
noch nicht einmal ein Gefangener im Hintergrund", erläutert die
Leiterin der fotografischen Sammlung des Museums, Judith Cohen. "Und
genau das macht sie so furchtbar."
Die Fotos wurden zwischen Mai und Dezember 1944 aufgenommen. Sie zeigen
Offiziere und Wachleute in entspannten Situationen, während zur gleichen
Zeit im Lager zahllose Menschen ermordet und ihre Leichen in
Verbrennungsöfen geworfen wurden.
"Hier gibt es Blaubeeren"
Als Beispiel für den
unglaublichen Gegensatz zwischen dem Alltag der SS-Offiziere und der
KZ-Insaßen kann jene Seite des Foto-Albums genommen werden, auf der sechs
Aufnahmen unter dem Titel "Hier gibt es Blaubeeren" zu sehen sind:
Während SS-Helferinnen auf der Solahütte, einem Freizeitrefugium der SS nahe
Auschwitz, genüßlich Blaubeeren essen, kommen im Konzentrationslager 150
Gefangene an. Die SS selektierte 21 Männer und 12 Frauen zum Arbeitseinsatz,
der Rest wurde in den Gaskammern ermordet.
Haftstrafe für Höcker nach Krieg
Karl Höcker entkam
den alliierten Nazi-Jägern. Nach dem Krieg arbeitete er jahrelang unerkannt
in einer Bank. 1963 musste er sich schließlich in Frankfurt beim
Auschwitz-Prozess verantworten. Höcker rechtfertigte sich vor Gericht, dass
er niemals Selektionen durchgeführt habe und niemals einer Exekution
beigewohnt habe. Von der Existenz der Gaskammern habe er erst erfahren, als
er nach Auschwitz versetzt worden sei. Höcker wurde wegen Beihilfe zum
gemeinschaftlichen Mord zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt und kam nach
fünf Jahren frei. Im Jahr 2000 starb Höcker im Alter von 88 Jahren.
"Auschwitz-Album"
Bislang waren 320 Fotos bekannt, die
das Konzentrationslager vor der Befreiung durch die Russen am 27. Januar
1945 zeigten - das sogenannte "Auschwitz Album", das 1980 der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Diese Bilder zeigen vor allem, wie
ungarische Juden in dem Konzentrationslager Ende Mai 1944 ankamen und von
den SS-Leuten selektiert wurden. Die neu entdeckten Fotos vom fröhlichen
Alltag der Nazis in Auschwitz sind ein makabrer Gegensatz zu diesem
Dokument.