09. März 2008 13:35
Europa hat zum ersten Mal einen eigenen Weltraumfrachter ins All geschossen.
Pünktlich um 5.03 Uhr österreichischer Zeit hob Sonntag früh eine
Ariane-5-Trägerrakete mit dem 20 Tonnen schweren Frachter vom
Raumfahrtbahnhof Kourou in Französisch Guayana ab. Das unbemannte
Transportfahrzeug steuert auf seinem Jungfernflug selbstständig die
Internationale Raumstation ISS an.
Anfang April soll es dort mit rund sechs Tonnen Nachschub automatisch
andocken. Die gesamte Mission dauert sechs Monate. Voraussichtlich im August
fliegt das sogenannte ATV (Automated Transport Vehicle) zurück in Richtung
Erde und verglüht mit dem Müll aus der Station in der Atmosphäre.
Großtes Raumfahrzeug aus Europa
Nur einen Monat nach dem
erfolgreichen Start des Weltraumlabors "Columbus" feierten die Europäer den
Missionsbeginn als wichtigen Schritt. "Europa ist nun ein wichtiger Partner
für den Betrieb der ISS", sagte der Chef der Europäischen
Weltraumorganisation ESA, Jean Jacques Dordain, in Kourou. "Es ist das
größte und schwerste Raumfahrzeug aus Europa. Statt Geld zahlen wir mit 20
Tonnen High-Tech für die Kosten unseres Teils der ISS", sagte ESA-Direktor
Gaele Winters in Bremen. Der ATV-Prototyp "Jules Verne" hat 1,3 Milliarden
Euro gekostet, vier Nachfolger sind bestellt.
An vielen Raumfahrt-Standorten in Europa hatten hunderte Techniker und
Wissenschafter die Liveübertragung des Starts und der wichtigsten ersten
Flugphasen verfolgt. Zehn Minuten nach dem Abheben der
Ariane-5-Spezialversion mit ihrer Rekordnutzlast wurde das ausgebrannte
Haupttriebwerk abgesprengt. Danach trieb die in Bremen gebaute Oberstufe das
ATV in eine Umlaufbahn zwischen 140 und 260 Kilometern Höhe. Nach dem
Brennschluss und der Trennung von der Ariane-Oberstufe fuhr "Jules Verne"
gegen 6.30 Uhr seine Sonnensegel aus und nahm mit seinen Navigationssystemen
einen ersten "Rundumblick" zur Orientierung vor.
Neue Kontrollsysteme werden getestet
Bis zum Andocken an die ISS
plant die ESA über ihr neues ATV-Kontrollzentrum in Toulouse umfangreiche
Flugmanöver. Dabei sollen die neuen Navigations- und Kontrollsysteme
getestet werden, um eine sichere Annäherung an die bemannte Raumstation zu
gewährleisten.
ATV soll die Lücke schließen zwischen der Stilllegung der veralteten
US-Shuttles voraussichtlich im Jahr 2010 und der Inbetriebnahme der
Nachfolge-Fähren, für die noch kein konkretes Datum bekannt ist. Es gilt als
Zwischenschritt für vollautomatische Missionen zu Mars oder Mond. Es könnte
aber auch das Grundmodell für bemannte Fähren sein, sagte der Chef der
Raumtransportgesellschaft Arianespace, Yves Le Gall. Europa besitze alle
Grundelemente für die bemannte Raumfahrt. Er sei aber nicht sicher, ob die
ESA-Staaten die nötigen zehn Milliarden Euro für das Projekt aufbringen
werden, sagte Le Gall dem "Parisien" am Samstag.