26. März 2008 16:42
Der Pawlowsche Hund könnte schon bald Gesellschaft bekommen: den Pawlowschen
Fisch. US-Wissenschafter wollen das konditionierte Lernen, das der russische
Forscher einst nachgewiesen hat, bei Barschen erproben. Wenn es
funktioniert, dann könnte manche Fischfarm bald überflüssig werden. Die
Fische würden sich dann sozusagen selbst fangen, wenn sie - angelockt durch
ein Tonsignal - in einen Käfig schwimmen.
"Verrückt aber real"
"Es klingt verrückt, aber es
ist real", sagt Simon Miner, wissenschaftlicher Assistent am Labor für
Meeresbiologie von Woods Hole, einem Forschungsinstitut im US-Staat
Massachusetts. Ziel ist laut Miner einerseits eine Aufstockung der Bestände
des Schwarzen Sägebarsches. Andererseits könnten langfristig die Kosten für
die Fischzucht minimiert werden. Wenn man Fischen beibringen kann, sich
Nahrung im offenen Meer zu suchen und auf Abruf zurückzukehren, müssten die
Züchter beispielsweise kein Futter mehr vorhalten. Das klingt so
verrückt, dass bei den kommerziellen Fischzüchtern viel Überzeugungsarbeit
zu leisten sein wird. Die Skepsis überwiege, sagt Randy MacMillan, Präsident
der Nationalen Vereinigung für Aquakultur in den USA.
Freiwillige Rückkehr in Gefangenschaft
So wie es Ivan Pawlow
mit seinen berühmten Hunden gemacht hat, denen in Erwartung von Futter schon
beim Läuten einer Glocke der Speichel floss, bauen ähnliche Experimente mit
Fischen auf der Wirkung von Tonsignalen auf. Doch noch nie hat jemand
versucht, Fische dazu zu bringen, ins offene Meer hinauszuschwimmen und
wieder in die Gefangenschaft zurückzukehren.
6.500 "Test-Barsche"
Das Projekt in Massachusetts
begann im Sommer vergangenen Jahres. An dem Experiment beteiligt sind rund
6.500 Schwarze Sägebarsche, die normalerweise zwischen Florida und Cape Cod
leben. Sie können knapp eineinhalb Kilogramm schwer und rund einen halben
Meter groß werden. Die erste Frage sei gewesen, ob die Barsche
überhaupt trainiert werden könnten, sagt Miner. Die Fische wurden in einem
runden Tank gehalten, und bevor sie gefüttert wurden, ertönte immer das
gleiche Signal. Dann warfen die Wissenschaftler das Futter in ein bestimmtes
Areal des Käfigs, das die Fische nur durch einen schmalen Durchlass
erreichen konnten. Das Ganze wiederholten die Forscher drei Mal am Tag, etwa
zwei Wochen lang. Das Ergebnis seien "ferngesteuerte Fische" gewesen, sagt
Miner. "Man drückt einen Knopf, sie kommen und warten geduldig."
Als nächstes versuchte Miner herauszufinden, wie weit das Gedächtnis der
Barsche zurückreicht. Manche Fische vergaßen den Zusammenhang zwischen
Signal und Futter nach fünf Tagen, andere erst nach zehn. Wahrscheinlich
gebe es eine Verbindung zur Dauer des Trainings, vermutet Miner.
Testlauf im Mai
Im Mai wollen die Wissenschafter 5.000 Schwarze
Sägebarsche in den AquaDome bringen, eine Fütterungsanlage mit zehn Metern
Durchmesser, die auf dem Meeresboden in Buzzards Bay, 70 Kilometer
südöstlich von Boston, verankert ist. Die Fische werden eine Zeit lang im
AquaDome gefüttert, wobei zuvor immer der charakteristische Ton erklingt.
Dann werden sie ins Meer entlassen. Nach ein bis zwei Tagen soll das
Futtersignal sie zurückrufen.
Eigene Zweifel
MacMillan zweifelt daran, dass das Experiment
funktioniert. "Meine Erfahrung mit Fischen sagt mir, dass sie weit wandern",
erklärt er. Außerdem werde eine große Anzahl Raubfischen zum Opfer fallen. Projektleiter
Scott Lindell kann diese Bedenken nicht von der Hand weisen. Aber auch wenn
nur die Hälfte der Barsche zum AquaDome zurückkehre, wäre dies profitabler
als alles andere, was bisher praktiziert werde, sagt er. Ob das Ganze
funktioniere, wisse man frühestens im Mai, betont Forschungsassistent Miner.
Schließlich gebe es tausende mögliche Arten des Scheiterns, aber nur einen
Weg, der zum Erfolg führe.