17. August 2007 10:09
"Das waren mehr als fünf Jahre Arbeit." - Kurz und bündig bewertete jetzt in
einem Gespräch der Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA)
der Österreichischen Akademie der Wissenschafter, Josef Penninger, eine
Publikation, die "Nature Medicine" vor einigen Tagen Online gestellt hat.
Das Team unter seiner Leitung hat mit HACE1 ein offenbar bedeutendes neues
Krebs-Suppressor-Gen identifiziert. Alles deutet darauf hin, dass es sich um
eine Erbanlage auf dem Chromosom 6 handelt, deren Existenz schon seit
einiger Zeit vermutet wurde.
Gen HACE1 ist an Karzinome beteiligt
Begonnen hatte es in
Vancouver in Kanada, wo die Wissenschafter vor mehr als fünf Jahren bei
einem Kind mit einem sogenannten Wilms'-Tumor eine Gen-Verlagerung
(Translokation) auf dem Chromosom 6 feststellten. Wilms'-Tumore stellen 90
Prozent der Nierentumore bei Kindern dar. Sechs Prozent aller kindlichen
Krebserkrankungen sind darauf zurück zu führen. In wissenschaftlichen
Studien war bereits gezeigt worden, dass Veränderungen am Chromosom 6 an der
Position q21 offenbar an einer ganzen Reihe von Karzinomen (Brust, Prostata,
Eierstöcke, Leukämien und Lymphome) beteiligt sein dürften. Das Gen wurde
HACE1 genannt.
Inaktivierung des Gens
Das österreichisch-kanadische Forscherteam
analysierte zur genaueren Untersuchung der Hintergründe zunächst die
Aktivität von HACE1 im Gewebe von 26 Patienten mit Wilms'-Tumoren. Das
Ergebnis: Bei 77 Prozent von ihnen war die Funktion von HACE1
herunterreguliert. Da aber das HACE1-Gen selbst bei Wilms'-Tumor-Patienten
nicht verändert ist, lautete gemäß Penninger die erste Schlussfolgerung: "Es
handelt sich um eine epigenetische Inaktivierung des Gens." Im Speziellen
handelt es sich um eine sogenannte Methylierung. Dabei verhindern an den
betroffenen Erbgut-Anteil angehängte Methyl-Gruppen das Ablesen der DNA und
legen so das Gen lahm.
Inaktivierung des Gens als Krebsschutz
In einem nächsten Schritt
bestimmten die Wissenschafter den Unterschied der HACE1-Aktivierung in
Tumor-Gewebe von Patienten und in entsprechendem gesunden Gewebe dieser
Personen: Bei rund 50 Prozent der untersuchten Tumore war kaum
HACE1-Aktivität zu finden. Der nächste Schritt war die Züchtung von
Mäusen ohne HACE1. Penninger. "Sie entwickelten sich normal. Doch als die
Tiere älter wurden, erkrankte ein Teil von ihnen an verschiedenen Tumoren."
Zwölf Prozent bekamen bis zum Alter von zwei Jahren Melanome, Leber- oder
Lungenkarzinome bzw. Lymphome.
Alleinige Wirkung schwach
Zwar dürfte HACE1 selbst eine relativ
schwache Schutzwirkung vor Krebs haben, doch ein herunterreguliertes Gen
machte die Tiere für den Effekt von Strahlen oder potenziell
krebsauslösenden Substanzen empfänglich: So entwickelten Mäuse ohne das Gen
auch nach einer sehr geringen Dosis an Gammastrahlen Krebs, ebenso, wenn man
ihnen eine geringe Dosis des DNA-schädigenden Stoffs Urethan verabreichte.
Gemeinsam mit Wächter-Gen aktiv
Dabei dürfte HACE1 vor allem
in Kombination mit dem seit Jahren bekannten Krebs-Wächter-Gen p53 seine
Wirkung entfalten. Tiere ohne HACE1, aber mit p53 zeigten eine etwas
vermehrte Krebsrate mit zunehmendem Alter. War aber auch nur eine der zwei
Kopien von p53 nicht vorhanden, kam es zu mehr Krebsentstehung. Tiere ohne
p53 und ohne HACE1 verursachte auch bei jungen Mäusen bösartige
Erkrankungen. Hatten sie kein p53, erkrankten sie am ehesten an
Schilddrüsen-Lymphomen, hatten sie dazu auch noch eine gestörte
HACE1-Funktion bekamen sie hingegen eine ganze Reihe verschiedenster
Karzinome.
Wirkung auf menschliche Zellen getestet
Den vorerst letzten Stein
in das Mosaik setzten die Wissenschafter ein, indem sie testeten, wie sich
das künstliche Herabregulieren von HACE1 auf menschliche Krebszellen
auswirkte: Sie zeigten eine deutlich erhöhte Fähigkeit zur Bildung von
Kolonien und Tumoren im Labor. Der Effekt wird offenbar über die
Beeinflussung des Wachstums-und Teilungszyklus über ein Enzym (Cyclin
D1-Kinase) herbeigeführt. Details dazu sollen weitere Arbeiten liefern.