19. November 2007 09:01
© AFP PHOTO / Tony KARUMBA
Ausrangierte Computer, alte Drucker und Radios - vermeintlich harmloser
Elektroschrott wird der kleinen Priscilla zum Verhängnis. Die zwölfjährige
Kenianerin lebt in einem Armutsviertel, das an eine der größten Mülldeponien
Afrikas grenzt. In ihrer Nachbarschaft türmen sich Elektroabfälle aus aller
Welt. Und es sind diese Müllberge, die das Blut von Priscilla und Hunderten
anderen Kindern mit Blei und anderen Schwermetallen vergiften. Die Behörden
haben die Bedrohung lange ignoriert und sehen erst allmählich ein, dass sie
etwas unternehmen müssen.
Größte Deponie Nairobis
Dandora ist die bei weitem
größte Mülldeponie in der Hauptstadt Nairobi. Jeden Tag laden Lastwagen
2.000 Tonnen Abfall ab, unbehelligt von behördlichen Kontrollen. Hier türmen
sich ausrangierte Drucker und Computer, ein Meer von Plastikflaschen und
-säcken, Radios und Autobatterien. Aber auch Krankenhausabfälle wie
Ampullen, Spritzen und Infusionen liegen verstreut auf der Erde herum. Nach
einem Bericht der Umweltorganisation "Blacksmith Institute" gehört die
Deponie am Stadtrand neben einer Bleimine in Sambia zu den zwei am stärksten
verschmutzten Orten des Kontinents.
Nur 10 bis 15 % der Kinder gesund
Die Anrainer leiden nicht nur
unter dem Dreck, auch ihre Gesundheit ist bedroht: Nur zehn bis fünfzehn
Prozent der Kinder im Umkreis sind laut "Blacksmith Institute" gesund, rund
eine Million Anrainer in den Elendsvierteln sind bedroht. Das Blut Hunderter
Kinder in der Umgebung der Mülldeponie ist mit Blei verseucht. Sie leiden
häufig unter Atembeschwerden, wie eine im Oktober veröffentlichte Studie des
UN-Umweltprogramms (UNEP) ergab. Bei Priscilla wurde ein Bleiwert von 19,9
Mikrogramm pro Deziliter gemessen. Der internationale Grenzwert liegt bei
zehn Mikrogramm. Ihre Schule im Korogocho-Slum sei oft von einer Wolke
umhüllt, berichtet das Mädchen. "Jedes Mal, wenn so eine Wolke von der
Mülldeponie kommt, muss ich husten."
Schrott enthält viele Gifte
Njoroge Kimani, Autor der
UNEP-Studie, wundert das nicht. "Elektroschrott enthält viel Blei,
Quecksilber und Kadmium, was giftig wirkt", erklärt der Biochemiker. Kinder
nehmen das Blei auf, indem sie die giftigen Dämpfe einatmen oder einfach
Dinge vom Boden aufheben. Mit Sorge beobachten Umweltschützer, dass
Elektroschrott aus den Industriestaaten nach Kenia und in andere
afrikanische Länder "abgeschoben" wird - weil das billiger ist, als ihn zu
verarbeiten. Dabei wird die Tatsache ausgenutzt, dass es in dem
afrikanischen Land keine funktionierende Abfallbeseitigung gibt. Das Problem
betrifft aber nicht nur Kenia.
Entsorgt unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit
Richard
Kiaka Dimba von der Umweltorganisation "Eco-Ethics International"
kritisiert, dass Industriestaaten ihren Elektroschrott häufig sogar unter
dem Deckmantel der Wohltätigkeit entsorgten. Gebrauchte Computer würden als
Spenden nach Afrika geschickt, bis zu 20 Prozent davon seien aber
unbrauchbarer Schrott. "Es kommen zu viele Computer und es fehlt ein
Konzept, wie man mit Elektroschrott umgehen soll", bestätigt Tom Musili,
Direktor der Entwicklungsorganisation "Computer für Schulen in Kenia". Er
plant nun, den Rechnerschrott wieder in die Geberländer zurückzuschicken.
"Beseitigung der Abfälle läuft nicht gut"
Dass
der 30 Hektar große Müllhaufen Dandora in Nairobi ein Schandfleck ist, hat
auch die Regierung Kenias mittlerweile erkannt. Sie ist auf ein
umweltfreundliches Image bei den Millionen Touristen bedacht, die jährlich
in Kenias Nationalparks strömen. "Die Beseitigung der industriellen,
elektronischen und restlichen Abfälle läuft nicht gut genug", räumt Benjamin
Langwen von der Umweltbehörde ein. Bessere Kontrollen würden angestrebt. Bis
dahin werden die Lastwagen aber weiter täglich ihre giftige Ladung in
Priscillas Nachbarschaft ausschütten.