31. Oktober 2008 07:21
Am Berliner Flughafen Tempelhof sind die letzten beiden Maschinen gestartet.
Um 23.55 Uhr hoben am Donnerstagabend ein "Rosinenbomber" und eine Junkers
52 mit dem Spitznamen "Tante Ju" ab. Damit endet der Flugbetrieb auf dem
Areal, das vor 85 Jahren als erster Verkehrsflughafen der Welt eröffnet
worden war.
Wowereit verteidigt Schließung
Auf einer Gala hat der
Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, die Schließung des
Flughafens vor rund 800 geladenen Gästen erneut gerechtfertigt. Aus
ökonomischer und ökologischer Sicht sei es richtig, den Flugbetrieb
einzustellen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend unter zahlreichen
Buh-Rufen.
Wowereit sagte, bei aller Wehmut müsse auch nach vorn
geblickt werden. Im Oktober 2011 soll der neue Großflughafen Berlin
Brandenburg International eröffnet werden. "Das ist die Zukunft", betonte
Wowereit. Für das Gelände in Tempelhof böten sich mittelfristig große
Chancen. An diesem Abend gebe es ein "emotional trauriges Gefühl", räumte
Wowereit ein.
Die Demonstranten bildeten ein Spalier und pfiffen alle Gäste, die in das
Gebäude schritten, lautstark aus. Die vorwiegend älteren Protestierenden
trugen Plakate mit Aufschriften wie "Skandal" oder "Wowereit ist ein
Versager". "Es ist unglaublich, was hier passiert", sagte Gisela Willuhn.
"Politik geht über Sachverstand." Und dass dann drinnen die für die
Schließung Verantwortlichen feierten, während die Menschen, die durch den
Flughafen überlebten, draußen ständen, setze dem Ganzen die Krone auf.
In dem historischen Gebäude saßen die geladenen Gäste aus Politik und
Wirtschaft an weiß gedeckten Tischen. Die stillstehenden Gepäckbänder waren
umfunktioniert und dienten dafür, das Buffet zu präsentieren. Es gab unter
anderem Lachs in Orangen, französischen Hirschkeulenbraten in
Calvados-Rahmsauce und Pariser Schokoladen-Tarte. Zur Unterhaltung spielte
ein Swing-Dance-Orchester.
Einst der modernste Flughafen der Welt
Tempelhof war einmal der
größte und modernste Flughafen der Welt. 1923 wurde er eingeweiht. Später
flogen hier die Schönen und Reichen ein, Marlene Dietrich, Zarah Leander
oder Maria Callas, vor kurzem noch Tom Cruise mit seiner Familie. Seine
heutige Gestalt mit dem monumentalen, 1,2 Kilometer langen Hauptgebäude
erhielt Tempelhof erst in der Nazizeit zwischen 1936 und 1941. Tempelhof war
Mittelpunkt der Luftbrücke und der Rosinenbomber, Stützpunkt des US-Militärs
und galt als Tor zur freien Welt. Später geriet der Flughafen dann jedoch
immer stärker in den Schatten von Tegel und Schönefeld. Der Architekt Norman
Foster bezeichnete Tempelhof einmal als "die Mutter aller Flughäfen".
Der rot-rote Senat mit Wowereit an der Spitze hatte angesichts immer weiter
sinkender Passagierzahlen und eines wachsenden Defizits das Ende des 1923
gegründeten Flughafens beschlossen. Ein Volksbegehren gegen diese Pläne war
gescheitert. Die Schließungen von Tempelhof und später vom Flughafen Tegel
sind nach einem Gerichtsurteil die Voraussetzung für den Bau des neuen
Großflughafens in Schönefeld.
Foto: (c) Reuters