31. Juli 2008 11:29
Der Hamburger Archäologe Ralf Wiechmann ist mit einem Totenkopf im Gepäck
bis nach Kanada gereist, um das Geheimnis des "Störtebeker-Schädels" zu
lüften. Doch eine DNA-Analyse war auch mit Hilfe kanadischer
Forensik-Experten nicht möglich. Das gut 600 Jahre alte Knochenmaterial sei
nicht mehr zu entschlüsseln gewesen. Die Erbinformationen sollten eigentlich
mit der von möglichen Nachkommen des legendären Seeräubers Klaus Störtebeker
(um 1360-1401) verglichen werden. In Norddeutschland leben nach Schätzung
des Wissenschaftlers etwa 200 Menschen mit dem Namen Störtebeker. "Klar ist
jetzt nur, dass wir das Rätsel nicht lösen können", sagt Wiechmann. Der
geheimnisvolle Schädel und die Rekonstruktion des Piraten-Kopfes sind aber
trotz der Ungewissheit über die Identität weiterhin die Attraktion des
Museums für Hamburgische Geschichte.
Ist es der Schädel des Piraten?
Er sei nicht besonders
traurig darüber, "dass die Frage, ob der Schädel tatsächlich dem Freibeuter
Klaus Störtebeker zugeordnet werden kann, nicht beantwortet wurde", betont
der Wissenschaftler. Die Exponate im Hamburg-Museum lebten von nicht
gelösten Rätseln. Auf jeden Fall sei man bei den Forschungsarbeiten dem
Leben und Treiben der Seeräuber im Mittelalter ein großes Stück näher
gekommen. "Störtebeker ist eine Legende und wir wissen nicht einmal, ob er
wirklich am Grasbrook im Hafen hingerichtet wurde." Aktenkundig sei nur,
dass sein Weggefährte Gödeke Michels dort geköpft wurde. "Vielleicht gehört
der Schädel ja auch zu ihm", meint Wiechmann.
Der aufgespießte Schädel und ein weiteres Exponat mit dem charakteristischen
Nagel-Loch waren 1878 auf dem Grasbrook - zur Hansezeit eine öde Elbinsel
und heute ein Teil der schicken HafenCity - gefunden worden. Vom 14. bis ins
18. Jahrhundert waren dort viele hundert Seeräuber geköpft und ihre Schädel
dann auf ganz besondere Art behandelt worden. Um den ein- und auslaufenden
Handelsschiffen und ihren Seeleuten zu zeigen, welches Schicksal den Piraten
blühte, wurden die Seeräuberköpfe mit langen eisernen Nägeln auf einem
weithin sichtbaren Holzgestell befestigt.
Sicher ist: Schädel eins Freibeuters
"Wir sind sicher, dass
es sich bei dem Schädel um den Kopf eines Freibeuters handelt, eines etwa
30-jährigen, kräftigen Mannes, der schon einige Blessuren hatte, als er vor
etwa 600 Jahren starb. Alles andere ist reine Spekulation", sagt Wiechmann.
Auch das Leben Störtebekers und seiner Kumpane, die sich selbst auf
plattdeutsch Likedeeler nannten, weil sie die Beute gerecht unter sich
aufteilten, bleibt im Dunkeln. "Wir wissen nicht einmal, ob Störtebeker
Kinder hatte, wo er geboren wurde, und ob er tatsächlich ein Freund der
Armen war." Ein "Robin Hood" der Meere sei er allerdings mit Sicherheit
nicht gewesen, meint der Forscher.
Aber auch die Bezeichnung "Seeräuber" sei nicht korrekt. Störtebeker und
seine Weggefährten seien keine gemeinen Verbrecher gewesen, "sondern Söldner
zur See, die im Dienste der Mecklenburger Herzöge dänische Schiffe kapern
sollten", erklärt Wiechmann. Als Lohn durften sie dann selbst Beute machen.
1401 besiegte eine Flotte aus Hamburg und Lübeck die Piraten. Klaus
Störtebeker und 70 andere Gefährten wurden hingerichtet.
Reine Legende
Dass der legendäre Seeräuber noch nach seiner
Enthauptung an den Gefährten vorbeispazierte, um sie vor der Scharfrichter
zu retten, ist allerdings widerlegt. Der Leiter der Rechtsmedizin im
Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE), Klaus Püschel, stellte im Zuge der
Untersuchungen des "Störtebeker-Schädels" klar, "dass es unmöglich ist, auch
ohne Kopf zu gehen".