15. Mai 2008 17:40
Dieses Mal wurden die warnenden Zeichen der Erdbebenkatastrophe offenbar
übersehen: Tage vor dem verheerenden Beben in Südwestchina waren
hunderttausende Kröten aus der Erde gekrochen und durch die Stadt Mianyang
gehüpft. Die Tiere verhielten sich damit ebenso ungewöhnlich wie jene
Schlangen, die Anfang Februar 1975 um die nordostchinesische Stadt Haicheng
vorzeitig aus dem Winterschlaf erwachten, um einem Beben zu entfliehen, das
die Stadt wenige Tage in Trümmer legte. Damals hatten Seismologen das
Verhalten der Tiere richtig gedeutet, entsprechende Messungen vorgenommen
und die Stadt rechtzeitig räumen lassen.
Dass sich Tiere Stunden und Tage vor einem Erdbeben seltsam verhalten und
Fluchtreaktionen zeigen, ist seit der Antike vielfach dokumentiert. Der
griechische Naturforscher Plinius der Ältere, der beim Ausbruch des Vesuvs
im Jahr 79 starb, berichtete darüber ebenso, wie Bauern in der italienischen
Region Friaul, wo am 6. Mai 1976 Mäuse aus dem Boden krochen und Stalltiere
panisch wurden, bevor ein Erdbeben am Abend knapp 1.000 Menschenleben
kostete.
Wissenschaftler versuchen das Phänomen zu ergründen
Weltweit
versuchen Wissenschafter das Phänomen der tierischen Vorahnung seit Jahren
zu ergründen. Der Berliner Professor für physikalische Chemie an der Freien
Universität Berlin, Helmut Tributsch, hat darüber gar ein Buch geschrieben,
das in dem Titel "Wenn Schlangen erwachen" die glückliche Rettung der Stadt
Haicheng aufgreift. Der Wissenschafter kommt nach statistischen Auswertungen
zahlreicher Tierbeobachtungen zu dem Ergebnis, dass vor allem Höhlenbewohner
wie Mäuse, Ratten, Schlangen und Fledermäuse rund 20 Stunden vor einem Beben
ab der Stärke 6,5 durch Verhaltensveränderungen auf sich aufmerksam machen.
Doch was wirklich Vögel, Pferde, Elefanten und Fische veranlasst, vor einem
starken Erdbeben verrückt zu spielen, ist letztlich noch nicht geklärt. Eine
These besagt, dass durch den starken Druck und die Reibung im Gestein
elektrische Ströme entstehen, die wiederum das in feinen Gesteinsrissen
vorhandende Wasser zersetzen. Die dabei entstehenden positiv geladenen
Teilchen würden von den Tieren als Aerosole über die Atemluft aufgenommen
und verursachten bei ihnen die Ausschüttung von Angst auslösenden
Nervenbotenstoffsen führt.
Elefanten "hören" Erdbeben mit den Füßen
Doch
Tiere können Erdbeben offenbar nicht nur riechen, sondern auch rechtzeitig
fühlen. Bei dem Seebeben, das zu Weihnachten 2004 in 40 Kilometer Tiefe vor
der indonesischen Küste den verheerenden Tsunami auslöste, flüchteten
Elefanten und andere Tiere in Thailand und Indien ins Landesinnere, lange
bevor die ersten Flutwellen die Küste erreichten. Von Elefanten weiß man,
dass sie über ihre empfindlichen Fußsohlen Infraschall, also tiefste
Schwingungen über große Entfernungen wahrnehmen können. Sie könnten damit
die Erschütterungen des Seebebens gespürt haben, da sich Infraschall im
Gestein sehr viel schneller ausbreitet, als im Wasser.
Andere Tiere wie Schlangen und einige Käferarten besitzen dagegen
Infrarotsensoren und registrieren damit bereits minimale
Temperaturänderungen, wenn in Erdbebenzonen um Vulkane aufsteigende Lava den
Erdboden erwärmt. Und viele Vögel bemerken Schwankungen des Erdmagnetfelds,
wie sie auch mit Erdbeben einhergehen. Und weil zahlreiche Vögel im
Gegensatz zum Menschen auch im ultravioletten Bereich sehen, könnten sie
womöglich Gase wahrnehmen, die vor einem Erdbeben aus dem Boden entweichen.
Warnung in China wurde wahrscheinlich nicht weitergegeben
Warum
die Krötenwanderung in Mianyang nun nicht als Warnung wahrgenommen wurde,
ist unklar. Womöglich wurde den zuständigen Behörden das auffällige
Verhalten der Tiere einfach nicht gemeldet. So wie beim Beben im Juli 1976
um die Stadt Tangshan. Damals starben bei einem Erdbeben der Stärke 7,8
Schätzungen zufolge etwa 650.000 Menschen. Warnungen über das merkwürdige
Verhalten der Tiere sei den Verantwortlichen damals einfach nicht
weitergeleitet worden, schreibt Tributsch in seinem Buch.