28. Oktober 2008 15:13
Eine seiner wissenschaftlichen Errungenschaften als Chemiker in den USA
brachten ihm den Beinamen "Vater der Antibabypille" ein, mittlerweile hat
sich der gebürtige Wiener Carl Djerassi einen Ruf als Romanautor und
Dramatiker erarbeitet: Der in San Francisco und London lebende emeritierte
Professor für Chemie an der Stanford University, der Österreich unter dem
Naziregime verlassen musste am Mittwoch, seinen 85. Geburtstag. Die
Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie sein
Skulpturen-Geschenk an die Wiener Albertina im Jahr 2004 bezeichnete
Djerassi einmal als Zeichen einer "sehr späten Versöhnung".
"Ich dachte, weil ich ihn Wien aufgewachsen bin, war ich Österreicher",
sagte Djerassi vor einigen Jahren. Doch der mehrfach ausgezeichnete
Biochemiker, 20-fache Ehrendoktor, Schriftsteller und Kunstsammler Djerassi
erhielt erst nachträglich im Jahr 2004 "im Republiksinteresse" die
österreichische Staatsbürgerschaft - unter Beibehaltung der
US-amerikanischen.
In Wien geboren
Djerassi wurde am 29. Oktober 1923 als Sohn eines
bulgarischen Vaters und einer österreichischen Mutter, die für die Heirat
die bulgarische Staatsbürgerschaft annehmen musste, in eine jüdische Familie
in Wien geboren - als bulgarischer Staatsbürger. Seine frühe Kindheit
verbrachte Djerassi in Bulgarien. Als die Eltern sich scheiden ließen, zog
er mit seiner Mutter nach Wien. Sie bekam die österreichische
Staatsbürgerschaft wieder, für den Sohn wurde dies jedoch nicht genehmigt.
Dichter und Autor
"Als Chemiker bin ich Amerikaner. Kulturell ist
das eine ganz andere Sache", meinte Djerassi einmal. Seine künstlerische
Entfaltung als Autor ab 1985 sah er damals als "Stempel, den meine Kindheit
in Wien in mir hinterlassen hat. Der hat sich sehr spät ausgewirkt".
Djerassi schrieb zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, widmete sich dann
der von ihm erfundenen Romangattung "Science in Fiction", etwa in "Cantors
Dilemma", "Das Bourbaki Gambit" oder "Menachems Same". Zuletzt erschien
"Vier Juden auf dem Parnass - ein Gespräch". Seit 1997 konzentriert sich
Djerassi auf das Schreiben von Theaterstücken, die er unter dem Begriff
"Science in Theatre" zusammenfasst. Das erste Stück "An Immaculate
Misconception" ("Unbefleckt"), das sich mit den neuesten Entwicklungen im
Bereich künstliche Reproduktion beschäftigt, wurde 1998 beim Edinburgh
Fringe Festival aufgeführt.
Emigration 1939 in die USA
Doch zunächst sollte Djerassi als
Wissenschafter berühmt werden: Nach seiner Emigration 1939 in die USA
ermöglichten Pflegeeltern dem jungen Flüchtling den Besuch einer High School
in Newark und der University of Wisconsin, wo auch der Grundstein seiner
Karriere als Chemiker gelegt wurde. Im Alter von 21 Jahren promovierte
Djerassi in organischer Chemie. Zunächst arbeitete er in der
Industrieforschung. Weltweiten Ruhm brachten ihm zwei Entdeckungen ein: die
Synthetisierung des Hormons Cortison, wodurch dessen Massenproduktion
möglich wurde, und 1951 die Synthetisierung des Schwangerschaftshormons
Gestagen, die er zusammen mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und
John Rock als Grundlage der Antibabypille entwickelte - eine Bezeichnung,
die Djerassi selbst ablehnte, weil er die oral einzunehmende Verhütungspille
nicht gegen Babys gerichtet verstand, sondern für die Frau.
Akademische Lehrtätigkeit
Im Jahr 1952 nahm Djerassi seine
akademische Lehrtätigkeit - später auch im Rahmen eines Lehrstuhls - an der
Wayne State University in Detroit auf. 1959 wechselte der Chemiker an die
Stanford University in Kalifornien, an der er noch heute als emeritierter
Professor tätig ist. Seine Arbeitsschwerpunkte als Forscher bilden seither
Empfängnis, Reproduktionsmedizin und ihre Folgen für die Familie.
Rückkehr nach Europa wird immer süßer
Nach Wien
kehrte Djerassi nach eigenen Angaben erstmals in den 1950er Jahren zu einem
biochemischen Kongress zurück. "Für Emigranten war Rückkehr immer eine
Mischung von süß und bitter." Mit zunehmendem Alter "wird es immer süßer",
meinte er damals.
Zahlreiche Auszeichnungen
Djerassi erhielt zahlreiche
Auszeichnungen, darunter die "National Medal of Science", den ersten "Wolf
Price in Chemistry" sowie 20 Ehrendoktorate. Er wurde in die "National
Inventors Hall of Fame" aufgenommen, ist Mitglied der "American Academy of
Arts and Sciences" sowie Ehrenmitglied der britischen "Royal Society of
Chemistry". 1999 wurde ihm das "Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft
und Kunst" und 2008 das "Große silberne Ehernzeichen für Verdienste um die
Republik Österreich" verliehen. Im Jahr 2005 wurde in Österreich eine
Briefmarke mit Djerassis Bild herausgegeben.