13. November 2007 12:28
© APA-FOTO: OTTO BOCK / MICHAEL APPELT
"Mit der neuen Prothese kann ich im Alltag alle 'Sachen' ohne fremde
Hilfe machen. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn man
fremde Hilfe beim Gang auf das WC, beim Essen und beim Waschen braucht."
Dies erklärte am Dienstag der 20-jährige Steirer Christian Kandlbauer bei
einer Pressekonferenz in Wien aus Anlass der Präsentation der von dem Wiener
Unternehmen Otto Bock gemeinsam mit US-Partnern entwickelten
gedankengesteuerten Armprothese. Der junge Mann hatte bei einem Stromunfall
im Herbst 2005 beide Arme verloren.
Intuitive Gedankensteuerung
Die als Prototyp vorliegende
High-Tech-Armprothese, die sieben Gelenke bzw. Freiheitsgrade vom
Schultergelenk bis zur Hand ersetzen kann, wird eine wesentliche Neuerung
darstellen. Hans Dietl, Geschäftsführer des Unternehmens in Wien, das Teil
des deutschen Otto-Bock-Konzerns ist: "Diese Armprothese ist
medizinisch und technisch eine Sensation. Die gedankengesteuerte Prothese
ermöglicht eine intuitive Steuerung. Der Patient denkt an die Bewegung
seines verloren gegangenen Arms. Dem Anwender stehen mehr Gelenke zur
Verfügung, die simultan gesteuert werden können."
Die künstlichen Arme sind an die Nerven angeschlossen. Der junge Steirer
kann damit auch schon mit Messer und Gabel essen. (Foto: APA-FOTO: OTTO BOCK
/ MICHAEL APPELT)
Anschluss an vorhandene Nerven
Das wird möglich, indem bei dem
Patienten nach der Amputation des Armes vorhanden gebliebene Nerven in
Muskelresten, die ehemals den gesunden Arm bewegten, in getrennt zu
versorgende Anteile von Brust-und Rückenmuskeln von Plastischen Chirurgen
umgesetzt werden. Dort wachsen sie ein. Der Patient trainiert täglich die
verschiedenen Bewegungsmuster, bis von den Muskelgruppen bei Kontraktion
ausreichend starke elektrische Impulse abgenommen werden können. Sie werden
von der eingebauten Elektronik entziffert und in Steuerungssignale für die
Prothese umgewandelt. Dadurch wird der künstliche Arm direkt vom Gehirn
gelenkt.
Erstmals auch Teilbewegungen möglich
Die bisher vorhanden
und von Muskelimpulsen gelenkten Hand- und Armprothesen waren viel
schwieriger und unzulänglicher zu steuern. Dietl: "Die Bewegungen
mussten bewusst und aktiv ausgeführt werden. Es waren nur drei
Freiheitsgrade möglich." Weiters konnte immer nur eine
Teilbewegung nach der anderen durchgeführt werden. Der Patient musste
dazwischen von einem Gelenk zum nächsten durch ein ganz bestimmtes
Muskel-Kontraktionsmuster "umschalten".
Erster Patient trainiert schon
Christian Kandlbauer - der
Steirer ist der erste Europäer, der mit einem solchen Prototyp-System
versorgt wurde - über das monatelange Training, das zum mittlerweile schon
sehr fortgeschrittenen Handling der neuen Armprothese führte: "Das
Training war am Anfang sehr hart. Es wurde aber immer leichter. Ich freue
mich, dass ich heute hier sein darf. Das sind Entwicklungen, die Menschen
wie mir ein Stück Lebensqualität zurückgeben." Und mit
den immer besseren Erfolgen steige auch der Ehrgeiz, die neue Prothese noch
besser beherrschen zu lernen.