ÖOC-Chef Stoss fordert

"Spitzensportförderung muss in eine Hand"

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Bei der Abschlusspressekonferenz kündigte Stoss Veränderungen im System an.

Die Spitzensportförderung in Österreich soll in eine Hand gelegt werden - am besten in die eigene. Diesen Wunsch hat das Österreichische Olympische Komitee (ÖOC) am Sonntag nach dem absehbar medaillenlosen Abschneiden bei den Sommerspielen in London bekräftigt. ÖOC-Präsident Karl Stoss will die Aktivitäten des für die Förderung von Olympia-Athleten zuständigen "Team Rot-Weiß-Rot" des Sportministeriums, der hauptsächlich privat finanzierten Sporthilfe und des ÖOC "stärker gebündelt" sehen.

Gezielte Förderung für Spitzensportler
Derzeit kommen die Gelder aus mehreren unterschiedlichen Kanälen. "Die Sportförderung und die Förderung von Olympia-Athleten muss klar in eine Hand gelegt werden", forderte Stoss. "Es muss klare Verantwortlichkeiten geben. Es wäre vernünftig, das in die Hände des ÖOC zu legen." Die zur Verfügung stehenden Mittel könnten effizienter eingesetzt werden. Im "Team Rot-Weiß-Rot" seien zuletzt 400 Sportler gefördert worden, 2004 waren es noch 200 gewesen. "So viel zum Thema Gießkanne", meinte der ÖOC-Chef.

"Wir treten für ein selektives, gezielteres Fördern der Spitzenathleten ein", erklärte Stoss. "Richtung Rio muss man mit den Medaillenanwärtern arbeiten", ergänzte sein Generalsekretär Peter Mennel. Dafür werde es auch einen aus privaten Geldern finanzierten "Olympia-Kader" geben.

Stoss will effizientere Verteilung
Das Sportministerium habe laut ÖOC-Angaben in den vergangenen 18 Monaten fünf Millionen Euro in sein Spitzensportförderprojekt investiert. Davon seien aber lediglich 850.000 Euro an die 70 tatsächlich in London engagierten Athleten gegangen. "Ziemlich die gleiche Summe ist für Marketingkosten aufgewendet worden", kritisierte Stoss. "Das könnte vielleicht effizienter verwendet werden."

Persönliche Probleme mit Sportminister Norbert Darabos nach dessen medial geübter Kritik am Abschneiden des österreichischen Olympia-Teams wies Stoss zurück. "Es gibt keinen Konflikt mit dem Sportminister", versicherte der ÖOC-Chef. "Wir wollen in aller Ruhe eine Analyse durchführen, wo es Verbesserungsbedarf gibt." Diese sei zuletzt noch nicht möglich gewesen, weil sich Darabos nur kurz bei den Spielen aufgehalten habe.

Großbritannien als Vorbild
"Das ÖOC ist offen für jede Art der Kritik, sachlicher Kritik", betonte Stoss. "Wir wollen nicht in Selbstherrlichkeit versinken." Stattdessen verlangt der Olympia-Verband mehr Kompetenzen - auch finanzieller Natur. Es gehe dabei nicht um die komplette Sportförderung von bis zu 80 Mio. Euro, die zu einem großen Teil aus den Österreichischen Lotterien kommt, sondern lediglich um die Spitzensportförderung.

"Es ist eine stärkere Bündelung der Ressourcen möglich", sagte Stoss. "Solche Projekte haben einen unglaublich langen Zeitraum, bis sie zu Erfolgen führen." Großbritannien etwa habe den Weg einer einheitlichen Spitzensportförderung bereits vor 15 Jahren beschritten - mit dem Ergebnis einer wahren Goldflut bei Heim-Olympia, die die Briten bis auf Rang drei im Medaillenspiegel nach vorne gebracht hat.

Neue Schröcksnadel-Rolle noch kein Thema
Österreich feiert derartige Erfolg nur im Wintersport. Daher wurde zuletzt medial auch Skiverbands-Präsident Peter Schröcksnadel als ein Mann ins Spiel gebracht, der für Ordnung im System sorgen solle. Stoss hatte Schröcksnadel auch als Vizepräsident ins ÖOC geholt, von einer weiteren Rolle will er aber noch nichts wissen. "Ich schätze Peter Schröcksnadel enorm", betonte Stoss. "Der Wintersport ist aber ganz etwas anderes als der Sommersport."

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Norbert Darabos (Sportminister)

Wie kommentieren Sie das Abschneiden Österreichs bei den Olympischen Spielen in London, was sind ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Darabos: "Das Ergebnis ist enttäuschend, wir dürfen jetzt nicht typisch österreichisch zur Tagesordnung übergehen. Wir sind immer Weltmeister im Schönreden. Das muss ein Ende haben. Es geht darum, die Sportler mehr zu unterstützen, dass in Zukunft bessere Leistungen auch bei Sommerspielen möglich sind. Ich bin fest entschlossen, das Sportsystem in Österreich im Sinne der Sportler grundlegend zu ändern. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir in Zukunft wieder mehr Medaillenanwärter zu Olympischen Sommerspielen bekommen, als es bei diesen Spielen der Fall war. Ich möchte einen Talente-Pool ganz gezielt für Rio 2016 aufbauen. In Rio müssen wir uns zum Ziel setzen, Medaillen zu machen."

Ist die österreichische Sportförderung zeitgemäß und effizient und fließen genügend Mittel in den Sport?

Darabos: "Sie ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß, stammt noch aus der Nachkriegszeit. Die Mittel sind grundsätzlich genug, sie müssen aber besser und wirksamer eingesetzt werden."

Was muss sich ändern? Sind Zusammenlegung und Konzentration der Strukturen und der Förderung ein probates Mittel oder soll man alles eher so lassen wie es ist?

Darabos:
"Ich will mehr Leistungsdenken in der Spitzensportförderung. Es geht um einen Paradigmenwechsel weg von der Gießkanne hin zur Leistungsförderung. Professionelle Verbände, die zum Beispiel auch sehr gute Nachwuchsarbeit leisten, sollen gezielter und stärker gefördert werden als andere. Wir müssen uns Ziele setzen, die wir dann mit aller Kraft auch verfolgen. Darüber hinaus müssen bessere Kontrolle und Transparenz herrschen. Es gibt viele Widerstände, die wir jetzt aufbrechen müssen. Man sollte auch offen über die Zusammenlegung von Strukturen nachdenken. Schlankere Strukturen bedeuten weniger Verwaltungsaufwand und damit mehr Geld für die Sportler."

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Leo Windtner (ÖFB-Präsident)

Wie kommentieren Sie das Abschneiden Österreichs bei den Olympischen Spielen in London, was sind ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Windtner: "In Österreich fehlt ein umfassendes Bekenntnis zum Sport. Sport muss ein Anliegen von Politik und Gesellschaft sein, sonst geht es in einem kleinen Land nicht. Wir fordern seit 30 Jahren die tägliche Turnstunde und jammern über Fettleibigkeit. Auch Österreicher haben ein Sieger-Gen, das zeigen Sportler wie Hermann Maier, Thomas Muster oder David Alaba. Das gehört forciert und vom System gefördert."

Ist die österreichische Sportförderung zeitgemäß und effizient und fließen genügend Mittel in den Sport?

Windtner: "Sportförderung muss ein nationales Anliegen werden, nicht nur ein Lippenbekenntnis. Wir hinken in der Sportförderung nach, das Verhältnis der Sportförderung zur Kulturförderung beträgt 1:10. Es bedarf einer Aufstockung und Konzentration der Mittel."

Was muss sich ändern? Sind Zusammenlegung und Konzentration der Strukturen und der Förderung ein probates Mittel oder soll man alles eher so lassen wie es ist?

Windtner: "Eine Straffung ist sicherlich gut, aber auch, was den Bereich der Ministerien betrifft. Der Sport erbringt Leistungen bei verschiedenen Ressorts, im Unterricht, für die Gesundheit und die Integration. Man sollte jetzt keine Schnellschuss-Gesetzgebung machen. Man soll die hellsten Köpfe zusammenführen - wir haben viele, erfolgreiche Leute - und das grundsätzlich anpacken. Man muss sich das Gesamtkonzept anschauen, es bedarf einer klaren Zielsetzung und klarer Kontrolle. Aber nicht wie jetzt, dass man Medaillen vorgibt, sondern Entwicklungsschritte: wo wollen wir wann stehen. Wir brauchen ordentliche Strukturen, aber für unsere Voraussetzungen und keine Kopie von Ländern, die zehnmal so groß wie Österreich sind."

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Gunnar Prokop (Gründer, ehemaliger Cheftrainer und Manager von Hypo Niederösterreich, Gründer des Leistungssportzentrums Südstadt, ehemaliger Leichtathletik-Trainer)

Wie kommentieren Sie das Abschneiden Österreichs bei den Olympischen Spielen in London, was sind ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Prokop: Es ist eine unglaubliche Ungerechtigkeit, dass man von Olympia-Touristen spricht. Diese Leute haben vier Jahre lang gearbeitet wie Berserker und in London ihr Bestes gegeben. Dass man manche Athleten entsendet, obwohl ihre Leistung nicht dem internationalen Limit entspricht, ist die Schuld von den Verbänden. Da muss man strengere Richtlinien festsetzen.

So traurig es klingt und so weh es tut, aber wir sind einfach keine Sportnation. Die Gründe für so ein Ergebnis fangen im Kindergarten und in der Volksschule an, wo die Kinder keine Bewegung machen. Das kann doch nicht sein. Da müssen sich alle Ministerien, also Unterrichts-, Gesundheits- und Sportministerium gemeinsam hinsetzen, um das zu ändern. Das fängt also in der Kinder- und Schulerziehung an und geht bis dahin, wenn man sich anschaut, wie der Sport in Österreich organisiert ist. Wir haben keine Struktur im Sport. Wir sind zufrieden, wenn zu Rapid gegen Austria 15.000 Zuschauer kommen, aber das hat noch lange nichts mit einem Sportsystem zu tun. Die besten Ergebnisse liefern sowieso meistens die, die auf Eigeninitiative arbeiten, wie die Jukic' (Dinko und Mirna, Anm.) und  (Markus, Anm.) Rogan. Aber das sind alles nur Einzelzellen, da steckt kein Verband dahinter."

Ist die österreichische Sportförderung zeitgemäß und effizient und fließen genügend Mittel in den Sport?

Prokop: "Mittel kann es nie genug geben, aber grundsätzlich mangelt es nicht am Geld. Das wäre da. Wenn Herr (Sportminister Norbert, Anm.) Darabos jetzt ankündigt, die Förderung anders zu verteilen, dann macht das noch lange kein System aus."

Was muss sich ändern? Sind Zusammenlegung und Konzentration der Strukturen und der Förderung ein probates Mittel oder soll man alles eher so lassen wie es ist?

Prokop:  "Das Problem ist, dass jeder mitredet, die Fachverbände und die Dachverbände. Die Dachverbände dürfen mit dem Spitzensport nichts zu tun haben. Außerdem ist das leider alles ein politisches System, jeder Verband und jede Organisation wird politisch bestimmt. Das dürfte nicht sein. In anderen Ländern sind ehemalige Olympiasieger an der Spitze, bei uns wird ein Präsident politisch bestimmt. Ehemalige Leistungssportler müssen in solche Positionen. Man muss hergehen und unabhängige Leute zusammenbringen, das dürfen keine Funktionäre sein. Vor allem auch Fachmänner aus dem Ausland muss man dazunehmen. Unter (Ex-Bundeskanzler Alfred, Anm.) Gusenbauer hat es so einen Weisenrat mit rund 30 Leuten schon gegeben, da sind viele gute Ideen entstanden. Dann kommt Darabos und schmeißt dieses Buch einfach weg."

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Peter Seisenbacher (Doppel-Olympiasieger Judo)

Wie kommentieren Sie das Abschneiden Österreichs bei den Olympischen Spielen in London, was sind ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Seisenbacher: "Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn jede Sportart ist anders. Da muss man sich für eine seriöse Antwort ordentlich Gedanken machen. Bei Olympia konkurriert man mit über 100 Nationen und wir sind immer wieder überrascht, wie viel bei dieser dynamischen Entwicklung im Sport weitergegangen ist. Und dann sind wir ungehalten, dass andere schneller sind. In Österreich ist das Verständnis für Leistungssport, dieser Wille, unbedingt Erster werden zu wollen, nicht da. Mercedes hat ein Super-Formel-1-Auto gebaut, war dann in den Rennen aber hinten und wusste nicht, warum. So geht es uns jetzt auch."

Ist die österreichische Sportförderung zeitgemäß und effizient und fließen genügend Mittel in den Sport?

Seisenbacher: "Es liegt nicht an der Geldmenge. Es geht ja nicht nur um die finanzielle Förderung, sondern um das Gesamtsystem. Wenn da ein Fehler drin ist, kann am Ende nichts rauskommen. Und unsere Struktur stammt aus der Nachkriegszeit."

Was muss sich ändern? Sind Zusammenlegung und Konzentration der Strukturen und der Förderung ein probates Mittel oder soll man alles eher so lassen wie es ist?

Seisenbacher: "Wir brauchen erstens eine moderne Organisationsstruktur und zweitens muss man den Geist des Spitzensports verstehen. Man muss zeigen wollen, dass man zur Spitze gehört. Dass man alles tut, um besser zu sein. Es ist ein richtiger Kampf, es geht um die Gesamteinstellung. Wenn man immer nur ein Ziel verfolgt, nämlich Gold zu wollen, ergibt sich der Rest von selbst. Viele, die jetzt in Österreich mitdiskutieren, kämpfen aber nur um ihre Positionen. Das ist nicht das, was den Mercedes schneller macht. Es muss eine Organisation geschaffen werden, an der alle beteiligt sind und an deren Ende eine Einzelleistung die Leistung eines ganzen Landes darstellt, denn bei Olympia steht immer ein ganzes Land in der Auslage. So eine Organisation muss geschaffen werden. Nicht eine mit Beamten, sondern eine Pyramide, auf der ganz oben der Beste der Welt steht."

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Peter Wittmann (Präsident BSO und ASKÖ)

Wie kommentieren Sie das Abschneiden Österreichs bei den Olympischen Spielen in London, was sind ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Wittmann: "Natürlich wäre es schön gewesen, wenn die Leistungen der österreichischen Athleten und Athletinnen auch mit olympischen Medaillen gekrönt worden wären. Allerdings darf man nicht übersehen, dass es zahlreiche hervorragende Platzierungen gegeben hat. Österreich spielt also durchaus im Spitzenfeld mit. Die sportlichen Leistungen nur über Olympia-Medaillen zu definieren, halte ich den Sportlern gegenüber für unfair, denn sie alle haben ihr Bestes gegeben."

Ist die österreichische Sportförderung zeitgemäß und effizient und fließen genügend Mittel in den Sport?

Wittmann: "Dass die Förderung des Sports den zeitgemäßen Anforderungen angepasst werden soll, ist uns natürlich bewusst. Wir haben uns Gesprächen nie verschlossen, man muss dazu aber auch mit uns reden. Wir haben uns immer eingebracht, wo es ging. Die BSO ist nicht gegen Reformen. Ganz im Gegenteil, es ist ja auch in unserem Sinn, dass die Mittel effizient und leistungsorientiert verwendet werden."

Was muss sich ändern? Sind Zusammenlegung und Konzentration der Strukturen und der Förderung ein probates Mittel oder soll man alles eher so lassen wie es ist?

Wittmann: "Wir hatten in der BSO einen internen Reformprozess, an dem sich alle Mitgliedsverbände beteiligt haben. Wir haben die BSO-Positionen zum Gesetz dem Sportminister übermittelt, der Spitzensportausschuss hat sich damit eingehend befasst, alle Verbände konnten bei uns ihre Stellungnahmen zum Gesetz abgeben. Es muss sich einiges ändern, dazu muss eine offene Diskussion ohne Tabus geführt werden. Die BSO hat immer das Gespräch gesucht."

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