ÖSV-Skandal

Darum schweigt Werdenigg zu den Namen

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Ex-Skiläuferin erhebt in einem Interview neue Vorwürfe gegen Verband.

Die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg (geborene Spieß) hat sich in einem Interview in der ZiB 2 am Mittwochabend zu den Missbrauchsvorwürfen, die "vielen positiven Reaktionen" darauf und warum sie die Namen ihrer damaligen Peiniger nicht nennen will, geäußert. Zudem berichtete Werdenigg auch von einem Fall, der erst rund zwölf Jahre zurückliegen soll.

Der Österreichische Skiverband (ÖSV) recherchiert dazu aktuell mit drei Leuten und möchte dazu im Laufe des Donnerstags ein Statement veröffentlichen. "Ich habe sehr viele positive Reaktionen gekriegt. Viele haben sich sogar bedankt. Es waren sehr viele Männer darunter, die mir Mut gemacht haben, weiterzumachen und alles zu erzählen", erklärte Werdenigg. Darunter wären auch viele Sportler gewesen, die ihr Dinge erzählt haben.

Den Grund für ihr sehr spätes Outings sei einerseits der Fall eines Wiener Volleyball-Trainers gewesen, der sieben Mädchen missbraucht, Dutzende belästigt sowie Kinderpornografie verbreitet haben soll. Andererseits sei ihr der Zeitpunkt wegen der aktuellen #metoo-Kampagne in den sozialen Medien günstig erschienen.

Schröcksnadel will Namen hören

Die Tatsache, dass Werdenigg für die Liste Pilz kandidiert habe (Pilz ist ja selbst mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert), habe "überhaupt keine Rolle gespielt": "Ich habe die Geschichte schon lange vorbereitet gehabt. Das war schon im Juni, und lange bevor ich an die Politik gedacht habe."

Der Aufforderung von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, Werdenigg solle Namen nennen, will die 59-jährige Tirolerin nicht nachkommen. "Erstens ist der Vorfall gut 40 Jahre her. Hätte ich Maßnahmen ergreifen wollen, hätte ich kurz darauf eine Anzeige erstatten müssen. Würde ich die outen, wäre das nach meinem Rechtsempfinden nicht richtig. Ich kann sie rechtlich nicht mehr belangen", erklärte die Olympia-Abfahrts-Vierte 1976 in Innsbruck.

Auch bei interner Klärung würden ihrer Meinung nach sehr viele Leute davon erfahren. "Ich möchte nicht alle unter Generalverdacht stellen, aber ich kann den Namen ohne Gerichtsverfahren, ohne rechtliche Grundlage nicht öffentlich machen."

Zudem berichtete Werdenigg, dass sie im Zuge ihres Outings Informationen über Aufnahmerituale erhalten habe. "Es gab ein Aufnahmeritual in diversen Umgebungen. Das war das Einschmieren der Genitalien mit Schuhpaste, und das war gang und gäbe. Wer das nicht mitgekriegt hat, hat es wahrscheinlich vergessen oder verdrängt."

Werdenigg bezweifelt, dass die Thematik nur ihre aktive Zeit betrifft. "Ich glaube nicht, dass es vorbei ist. Ich kenne einen Fall aus 2005, der sogar an die Mannschaftsführung herangetragen wurde." Werdenigg sprach dabei den "Damenchef und ein noch höherer Funktionär" an.

"Nehme die Aussagen sehr ernst"

Präsident Peter Schröcksnadel teilte am Donnerstag mit, dass die 2005 zuständigen sportlichen Verantwortlichen Herbert Mandl und Hans Pum befragt worden seien. "Es ist ihnen kein derartiger Vorfall während der Funktionsperiode bekannt, was sie dem Verband auch schriftlich bestätigt haben."

"Ich nehme die Aussagen von Frau Werdenigg-Spieß sehr ernst, denn sollte es tatsächlich Vorfälle gegeben haben von denen der Verband nichts erfahren hat, dann möchte ich dies geklärt wissen", erklärte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel in der Aussendung. "In unserer Größenordnung - 450 Aktive und rund 200 Trainer und Betreuer - kann man grundsätzlich nichts von vornherein ausschließen", so der Präsident.

Werdenigg begrüßte die vom ÖSV am Mittwoch angekündigten Maßnahmen, empfahl aber das Hinzuziehen von Psychologen und Beratern, die Fachleute sind. "Ich habe es jetzt bei mir selbst gemerkt. Mir sind bei einigen Geschichten, die mir andere Sportlerinnen und Sportler erzählt haben, die Tränen gekommen." Es geht Werdenigg weniger um ihre eigene "gut aufgearbeitete" Geschichte, sondern um eine Enttabuisierung sexualisierter Gewalt.

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