Der Wahl-Insider

Die Koalitions-Analyse von Wolfgang Fellner

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Wirklich spannend wird es bei dieser Wahl erst ab 30. September – wenn der vermutlich mit der Regierungsbildung beauftragte Wahlsieger Sebastian Kurz eine Koalition finden muss. 

Und das wird schwierig. Hier sind die drei Szenarien – so wie sie derzeit hinter den Kulissen heftig diskutiert werden.
 
ÖVP-FPÖ ist Kurz zu unsicher:
 

Die Angst vor dem Kickl-Putsch

 
Am naheliegendsten wäre die Fortführung der türkis-blauen Regierung von 2017. Mit wenigen Ausnahmen – wie Rauchverbot oder ORF-GIS-Abschaffung – wäre ein Regierungsprogramm rasch und schnell verhandelbar.
 
Mit Norbert Hofer hätte diese Koalitionsvariante für Kurz auch den angenehmsten Vizekanzler – die beiden kennen, schätzen und mögen sich. Hofer hat freilich mehrere Forderungen durchzukämpfen: Er will in der neuen Regierung als Vizekanzler unbedingt selbst Außenminister werden und er will unbedingt einen „blauen“ Innenminister (am besten den Oberösterreicher Haimbuchner) durchboxen.
 
Auf Herbert Kickl in der Regierung würde die FPÖ verzichten – weil Kickl freiwillig den blauen Klubobmann machen würde. Das freilich wird zum Problem dieser Koalition: Denn Kickl ist als FPÖ-Klubobmann noch viel mächtiger als als Innenminister. Er sitzt dann nämlich jeden Dienstag in der „Regierungs-Koordination“, die jedes (!) neue Gesetz für den Ministerrat freigeben muss. Und er sitzt auch im Ministerrat – kann Kurz und die ÖVP blockieren, wie er will.
Das Kurz-Problem bei Türkis-Blau: Er weiß nicht, wie lange der „Honeymoon“ mit Hofer hält. Ständig droht dieser Koalition ein „Putsch“ oder zumindest eine Blockade und Dauer-Streit mit der Kickl-Fraktion. Und letztlich will auch HC Strache mit seinen Anhängern an die FPÖ-Spitze und in die Regierung zurück – als nächste Sprengfalle für ein dauerhaftes Türkis-Blau.
 
Fast alle Berater – vor allem die Landeskaiser – warnen Kurz deshalb vor einer neuen Koalition mit der FPÖ. Denn: Einen weiteren Regierungs-Crash würde Kurz als Kanzler und VP-Chef nicht überleben. 
 
Die Koalitions-Analyse von Wolfgang Fellner
© oe24
 

ÖVP-Grüne-Neos wäre sexy – aber real kaum verhandelbar

 
Wenn es nach der ÖVP-Basis geht, dann sollte die nächste Regierung Türkis-Grün-Pink sein: Mehr als 60 % aller ÖVP-Wähler wünschen sich schon diese umweltbewusste Regenbogen-Koalition mit Grün, nur noch 20 % sind für Türkis-Blau, gar nur 10 % für Türkis-Rot. Eine Koalition mit Grünen und Neos wäre also sexy, würde die ÖVP als modern und umweltbewusst positionieren, wäre vielleicht sogar für Europa ein Regierungs-Vorbild.
 
Aber: Schon die Verhandlungen für ein Regierungsprogramm mit Neos und Grünen würden fast unlösbar schwierig. Die Grünen fordern eine deutliche Liberalisierung der Asyl-Gesetze, eine linke Schulpolitik, eine Abkehr vom Nulldefizit – alles für die ÖVP kaum verhandelbar. Fast unlösbar wird für Kurz die Aufgabe, die Positionen von Grünen, Neos und ÖVP in einem „Dreier“ in einem Regierungsprogramm zu vereinen – ­einer wird immer ein Veto oder Widerspruch einlegen. Und wenn es nur die Wiener Grünen sind …
Auch das Personalpaket einer türkis-grün-pinken Regierung wird schwierig: Die Neos werden das Bildungsministerium für den deklarierten Kurz-Hasser Helmut Brandstätter und das von der ÖVP so geliebte Wirtschaftsministerium für Beate Meinl-Reisinger fordern. Die Grünen wollen zumindest das Umweltressort für ihre Listenzweite Leonore Gewessler, das Sozial- und Gesundheitsressort (eventuell für Wiens Birgit ­Hebein) sowie das Verkehrsministerium und/oder das Außenministerium (vermutlich für Vizekanzler Werner Kogler selbst) haben wollen. Der ÖVP dreht es beim Gedanken an diese Ressortverteilung den Magen um.
 
Dazu kommt: Zwar werden die West-Landeskaiser Platter, Haslauer und Wallner diese Koalition stark lobbyieren, aber im Osten – vor allem bei NÖs Mikl-Leitner, OÖs Stelzer und Wiens Gernot Blümel (er hasst die Wiener Grünen bis aufs Blut) gibt es gegen Grün heftigen Widerstand. 
 
Die Koalitions-Analyse von Wolfgang Fellner
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ÖVP-SPÖ als Notlösung:
 

Kurz braucht „Stabilität“

 
Deshalb ist nach wie vor die von den Wählern am wenigsten geliebte Koalition die wahrscheinlichste: Alle Insider der ÖVP tippen, dass Kurz nach dem 29. 9. „nichts anderes übrig bleibt“, als eine ÖVP-SPÖ-Koalition zu schließen.
 
Dafür spricht: Für die SPÖ wäre diese türkis-rote Koalition die beste Überlebens-Strategie. Ohne Vizekanzler-Erfolg würde Rendi wohl wieder stürzen – vor allem Gewerkschaft und die roten Landeskaiser (Ludwig, Kaiser, Doskozil und sogar Dornauer) wollen das Comeback der „Großen Koalition“.
 
Die Ressortverteilung wäre einfach: Pamela Rendi-Wagner würde als Vizekanzlerin ein modernes Gesundheits- und Umweltressort erhalten, ein Gewerkschafter (wohl Chef Katzian persönlich oder Renate Anderl) das Sozial-Ressort, Ex-Minister Leichtfried würde wohl wieder ins Verkehrs-Ressort einziehen, Sonja Hammerschmid wieder ins Bildungs-Ressort, Thomas Drozda könnte Außenminister werden und der Tiroler Dornauer würde vielleicht als Verteidigungsminister „ruhig“gestellt – einen bei der Ressortverteilung angenehmeren Partner wird Sebastian Kurz selbst vom Christkind nicht bekommen.
 
Auch das Regierungsprogramm wäre wohl rasch geschrieben: Die ÖVP hat bei all ihren wichtigen Anliegen wie Budget, Steuer­reform, Sicherheit, Asyl, Wirtschaft das Sagen – die SPÖ setzt sich bei ihren „menschlichen“ Themen wie Soziales, Bildung, Umwelt und Gesundheit durch.
 
Dazu kommt: Kurz und Rendi ­(legendär ihr Sager „Lieber Sebastian“) verstehen sich bestens – im Hintergrund ziehen Sozialpartner und Landeskaiser wieder die Fäden. Damit wäre für höchstmögliche „Stabilität“ gesorgt – ein Scheitern dieser Regierung scheint fast ausgeschlossen. Und das ist für Kurz das Wichtigste.
Kurz selbst würde das türkis-­rote Bündnis – nach steirischem Brauch – als „Reform-Partnerschaft“ verkaufen.
 
Einziges Problem: Die SPÖ muss für diese Koalition am Wahltag klarer Zweiter mit mindestens 23 % werden – denn mit einer „Verliererin“ will Kurz keine Koalition. 
 
Die Koalitions-Analyse von Wolfgang Fellner
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