Die Wahl-Analyse

Kann die SPÖ Wähler noch motivieren?

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Die letzten Tage des Wahlkampfs – gelingt Rendi noch der Überraschungscoup?

Kampf ums Silber-Stockerl. Die wirklich spannende Frage der Ibiza-Wahl ist: Wer wird nach dem 29. September mit der ÖVP regieren? Denn dass Sebastian Kurz mir klarem Abstand als Erster durchs Ziel gehen wird, kann nach heutigem Wissens- und Umfragestand niemand bestreiten. Viel unsicherer bleibt, wer aufs Silber-Stockerl steigen wird dürfen: die SPÖ mit Pamela Rendi-Wagner oder doch die FPÖ mit Norbert Hofer?

Österreichische Besonderheit. Was auch schon die eigentliche Überraschung dieses Wahlkampfs ausmacht: Da geht das alles dominierende FPÖ-Führungsduo Vizekanzler HC Strache und dessen Klubobmann und engster Vertrauter Gudenus gemeinsam in einem beispiellosen Sumpf unter. Und trotzdem kann sich deren Partei mit überschaubaren Verlusten halten, während die stärkste Oppositionskraft vom Platzen der Regierung nicht nur nicht profitiert, sondern drauf und dran ist, selbst ­Terrain zu verlieren. Das ist wohl eine österreichische Besonderheit.

Geschick der FP-Strategen hält die Stammwähler

Durch dick und dünn. Hauptverantwortlich dafür ist das Geschick der FPÖ-Strategen. Sie haben über die Jahre eine Stammwählerschaft aufgebaut, die mit der Partei un­beirrbar von Gegnern, me­dialen Kommentaren und selbst einem offensichtlichen Skandal, wie dem Strache’schen Macht- und Korruptionsplan im Ibiza-Video, durch dick und dünn geht.

Blau-Wähler fix entschlossen. Das sehen wir daran, dass jene Wählerinnen und Wähler, die sich zur FPÖ deklarieren, bereits in hohem Ausmaß entschlossen sind, fix die Blauen zu wählen. Nur übertroffen von den Kurz-Fans, die schon jetzt nahezu geschlossen angeben, am 29. 9. sicher der ÖVP ihre Stimme zu geben.

Verunsicherte SPÖ-Wähler. Dem gegenüber steht eine überraschend verunsicherte SPÖ-Wählerschaft, deren Entschlossenheit, das Kreu­zerl bei Rot zu machen, dermal um fast nichts höher ist als jene der traditionell wankelmütigen Grün- und Pink-Wähler.

Alles dreht  sich um die Frage: Wer mit wem?

Grüner Trend zeigt nach oben. Vor allem die Grünen strotzen nach den geschickt als Triumph verkauften geringen Verlusten bei der EU-Wahl vor Kraft. Nach der­zeitigem Stand scheint ihnen ein zweistelliges Ergebnis schon jetzt sicher. Und der Trend zeigt – beflügelt von der Themenkonjunktur im Hochsommer des Klimawandels – weiter steil nach oben. 

Bürgerlicher Quereinsteiger. Stabil die Neos, die sich mit Ex-Kurier-Chef Brandstätter einen bürgerlichen Quereinsteiger geangelt haben. Sie versuchen damit, im Teich jener nicht kleinen Zielgruppe  zu fischen, die Mitte-rechts fühlen, aber eine Neuauflage von Schwarz-Blau unbedingt verhindern wollen. Ob die Pinken aber so stark werden können, um eine Zweierkoalition mit Kurz zu schaffen, bleibt zweifelhaft. So dreht sich bis Ende September alles um die jede Wahl in Österreich dominierende Frage: Wer mit wem?

Rote Schwergewichte für eine »GroKo neu«

„Nur ohne Kickl.“ Die FPÖ will dezidiert mit Kurz weitermachen, der aber ziert sich und stellt die schwer ­erfüllbare Bedingung „nur ohne Kickl“. Die grüne Wählerschaft teilt sich an den Grenzen zwischen (rechten) Ökos am Land, wo Grüne und Schwarze oft schon jetzt traut in einer Regierung sitzen, und (linken) in der Stadt, die den Kurz’schen Anti-Flüchtlings-Kurs verabscheuen.  Das würde also zu einer schweren Zerreißprobe für Kogler und Co werden.

Kurz zeigt die kalte Schulter. Nicht viel anders ist die Lage innerhalb der SPÖ, wo sich zuletzt Schwergewichte wieder für Gespräche mit der ÖVP über eine „GroKo neu“ starkgemacht haben. Denen zeigt Kurz derzeit aber auch die kalte Schulter und ätzt in Richtung roter Führung, dass die ja gar nicht mit ihm regieren wolle.

Rendi als Außenseiterin gegen Schlachtrösser

…und das kann Vorteil sein. Und da sind wir auch schon bei der Kernaufgabe von Rendi-Wagner. An ihr wird es liegen, der Partei Profil zu verleihen: Wofür steht die SPÖ? Was genau hat sie im Angebot, wenn sie in die Regierung kommt? Noch viele Fernseh-Diskussionsrunden liegen vor ihr, wo sie darüber aufklären kann. Und dabei hat die rote Frontfrau einen Vorteil: Sie geht aus Sicht der journalistischen Buchmacher gegen die Polit-Schlachtrösser Kurz, Hofer, Meinl-Reisinger und Kogler jeweils als klare Außenseiterin ins Duell.

Gelingt Überraschungscoup? Wenn es ihr gelingt, einen Überraschungseffekt zu erzielen und besser abzuschneiden, als ihr die Kommentatoren zutrauen, kann ihr das sehr nützen. Die Voraussetzungen dazu als sympathische, mitten im (Familien-)Leben stehende, beruflich erfolgreiche Frau hat sie. 

Josef Kalina

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