Wahl-Analyse

Kurz, allein im Kanzleramt

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Trotz aller blauen Blödeleien aus dem Burgenland: Natürlich wird der nächste Kanzler wieder Sebastian Kurz heißen und sein Vizekanzler Norbert Hofer. 

Vorweg: Während der ersten Monate seiner Tätigkeit in der Spitzenpolitik war ich von Sebastian Kurz recht angetan. Er war bei politischen und privaten Gelegenheiten ein interessanter und interessierter Gesprächspartner, konnte gut zuhören – das ist selten bei einem Spitzenpolitiker –, zeigte sich offen für neue Themen und Ideen. Ein Teil der Aversionen, die ihm entgegengebracht wurden, ordnete ich auch der Arroganz der Älteren zu und dem Neid der Jüngeren.
 
Wuchs da nicht eine liberale, proeuropäische christlich-soziale Führungsfigur der ÖVP heran, durchaus im Geiste eines Erhard Busek oder Franz Fischler?
 

Vielversprechender Start als Integrationsstaatssekretär

 
Diese Hoffnung schien sich zu bestätigen, als der von ­Josef Pröll zum Integrationsstaatssekretär gemachte Kurz einige zumindest marketingmäßig wirkungsvolle Initiativen ins Leben rief, etwa die Installierung von Integrationsbotschaftern: erfolgreiche „role-models“ aus dem Kultur-, Wirtschafts- und Sportleben, die als Migranten erster oder zweiter Generation gekommen und inzwischen längst „echte Österreicher“ geworden waren.
 
Kein Wunder, dass Kurz damals auch Lobbies unterstützte, die für die bestmögliche Integration junger Mi­granten wirkten, etwa den vom damaligen Raiffeisen-Boss Christian Konrad geförderten Verein „Wirtschaft für Integration“. Dessen Motto schien auch das von Kurz zu sein: Wer Leistung erbringt, egal wo er
sie geboren ist, kann sich am besten integrieren, jede Gesellschaft, die solche Bemühungen fördert, nutzt auch sich selbst.
 

Internationaler Jungstar und Koalitions-Blockierer

 
Der Staatssekretär selbst predigte das mit seinen Botschaftern an der Seite in Schulen und warb dort für entsprechende Bemühungen, etwa für Unterstützungs- und Sprachlehrer.
 
Dieser positive Eindruck änderte sich langsam während seiner Zeit als Außenminister, aufgewertet von Prölls Nachfolger Michael Spindel­egger. Kurz wurde zusehends zum internationalen Jungstar und zum koalitionären Blockierer. Wie man heute weiß, bastelte er längst an einem eigenen Master-Plan, der ihn mit Hilfe einer Handvoll Getreuer aus der Jungen ÖVP ganz an die Spitze der Partei bringen sollte.
Als Spindelegger 2014 das Handtuch warf, stand Kurz noch ein Mann im Weg: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, danach Parteichef und Vizekanzler. Dessen Demontierung und damit die eines Großteils der sozialpartnerschaftlichen und christlichsozialen Elemente sind in Mitterlehners neuem Buch nachzulesen, einem – für hiesige Begriffe – politischen Bestseller.
 

Image des messianisch
verehrten Erneuerers

 
Kurz und die Seinen zogen ihren Kurs durch: Aus der Partei ÖVP wurde eine Kurz-Bewegung, zum Vorbild Emmanuel Macron fehlte aber die dezidiert proeuropäische und gesellschaftsliberale Komponente.
 
Speziell nach dem Migrationssturm von 2015 setzte Kurz voll auf einen Kurs der rigiden Abschottung, auch gegen die Politik seiner konservativen Kollegin Angela Merkel. Kurz bastelte mit seiner Crew und der „message control“ erfolgreich am Image des fast messianisch verehrten Erneuerers, des Außenseiters jenes politischen Systems, dem er nun seit fast 10 Jahren an vorderster Front selbst angehört. Heute hält der glänzende Kommunikator weiter bei Traumwerten zwischen 35 und 40 Prozent Zustimmung.
 

Ibiza-Video brachte 
das Fass zum Überlaufen

 
Innenpolitisch trug der einstige Integrationschef lange voll den Anti-Integrationskurs seines blauen Koalitionspartners mit, der Gelder für einschlägige Arbeits- und Schulprogramme streichen und voll integrierte Lehrlinge abschieben ließ.
 
Das und die fortwährenden braunen „Zwischenfälle“ der Blauen ließen aber auch den Widerstand des Wirtschaftsflügels und mancher Landeshäuptlinge der ÖVP wachsen. Das berühmt-berüchtigte Ibiza-Video brachte das Fass zum Überlaufen und Kurz letztlich um seinen Kanzlerposten.
 

Kurz wird Kickl dauerhaft fallen lassen müssen


Er wird ihn aber bald wieder einnehmen. Obwohl: sein glänzendes Heldenimage hat einige Kratzer bekommen, auch durch die beleidigte Daueroffensive von Herbert Kickl.
 
Ihn muss Kurz wohl dauerhaft fallen lassen, wenn auch nur aus der künftigen Re­gierung. Der blaue Scharfmacher wird aber wohl als Fraktionschef der FPÖ weiter am Koalitionstisch von Türkis-Blau 2 sitzen.
 
 
Ein Wahl-Kommentar von Polit-Experte Peter Pelinka
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