Wahl-Analyse

Skandale & Krokodile: So schmutzig ist der Wahlkampf wirklich

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Thomas Hofer über eine veritable politische Blutgrätsche und das Veränderungspotenzial durch den TV-Wahlkampf.

 

Bislang war vom schmutzigen Wahlkampf eher nur die Rede – denn so richtig in den Schmutzkübel haben die Parteien eigentlich nicht gegriffen. Klar, kleine Gehässigkeiten gehören zum Intensivwahlkampf wie das eine oder andere versteckte Foul zu einem Fußballmatch. Jetzt allerdings haben wir es mit einer Blutgrätsche zu tun. Denn der von der ÖVP in dieser Woche bekannt gegebene Hacker-Angriff auf ihr IT-System ist eine Bombe. Und zwar egal, was die Hintergründe nun wirklich sind.

Wenn’s stimmt, haben wir Methoden à la USA

Wie US-Präsidentenwahl. Denn gab es den – von unzweifelhaften IT-Experten dem Prinzip nach bestätigten – Hack, dann sind wir in Sachen Wahlkampfmethoden dort, wo die USA in ihrem jüngsten Präsidentschaftswahlkampf schon waren.

Opferrolle zu Recht? Die ÖVP ist bislang noch Unterlagen und Nachweise schuldig geblieben, was denn an jenen an Medien geleakten Daten genau manipuliert worden ist. Aber wenn sich das unzweifelhaft beweisen ließe, würde man sich in den vergangenen Wochen zu Recht in die Opferrolle begeben haben.

Wer hat Foul begangen? Dann wäre die entscheidende Frage: Wer hat das brutale Foul begangen und zu welchem Zweck? Ob wir auf diese zentralen Fragen noch in diesem Wahlkampf eine zufriedenstellende Antwort ­bekommen, ist zweifelhaft.

Wenn die ÖVP nur ablenken will, ist’s auch ein Skandal

Weg von kreativer Buchhaltung. Die zweite Möglichkeit, zahlreiche Mitbewerber der ÖVP zumindest hinter vorgehaltener Hand unterstellen: Die ÖVP – thematisch zuletzt ungewohnt oft in der Defensive – hat in ihrer Kommunikation bewusst in die Irre geführt oder (in Sachen Manipulationen) zumindest zugespitzt und will eigentlich nur die Aufmerksamkeit weg von den unangenehmen Themen Spenden und kreative Buchhaltung lenken. Wenn dem so wäre, wäre es ebenfalls ein Skandal und dürfte nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Mehr Fragen als Antworten. In den Wahlkampf kommt mit dieser Causa, die bisher weit mehr Fragen aufwirft als Antworten, jedenfalls Brisanz. Bisher dümpelte die politische Auseinandersetzung ja eher so dahin.

Rendi hat doch noch ein politisches Gen entdeckt

Überraschungen im TV. Ja, die TV-Duelle waren mitunter spannend und brachten teils überraschende Zwischenergebnisse: Etwa, dass SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner doch noch ein politisches Gen in sich entdeckt zu haben scheint und die (allerdings sehr niedrige) Erwartungshaltung politischer Beobachter deutlich übertreffen konnte. Oder dass es in der zweiten Kandidatenreihe, etwa symbolisiert durch das Duell Herbert Kickl (FPÖ) gegen Helmut Brandstätter (Neos), mitunter deutlich deftiger zugeht als in den Elefantenrunden.

Die große Frage: Was kann TV-Wahlkampf noch ändern?

Ein politisches Dauersignal. Der TV-Wahlkampf wird die letzten drei Wochen bis zum 29. September dominieren. Die Kandidatinnen und Kandidaten kommen im Endspurt aus Wien gar nicht mehr raus, weil die zahlreichen Duelle zu einer Art Dauersignal verschmelzen, wo wir am Ende die jeweiligen Botschaften und Sager der Politiker genauso gut kennen wie sie selbst.

Kein breiter Hangrutsch. Die entscheidende Frage ist: Kann der TV-Showdown noch etwas verändern? Die Antwort ist nicht so einfach. Auch wenn die meisten Wählerinnen und Wähler nach Bestätigung ihrer schon vorhandenen Einstellung suchen: Ein paar Prozentpunkte Verschiebung sind wohl noch drinnen, die breite politische Hangrutschung wohl weniger.

Kampfkuscheln von Hofer & Kurz. Auf den heftig umstrittenen Schlachtfeldern geht es jedenfalls ab: Jenes zwischen der ÖVP und der FPÖ, wo wohl eine Art Kampfkuscheln zwischen Sebastian Kurz und Norbert Hofer zu erwarten ist, entscheidet darüber, wie weit die Volkspartei enteilen oder ob die FPÖ klar über der 20-Prozent-Marke landen kann.

Rendi muss Leihstimmen für Kern an sich binden

Tausch von Türkis und Pink. Die zweite wählertechnische 

Baustelle der ÖVP ist der Wähleraustausch mit den Neos. Und dann geht es auch zwischen SPÖ und Grünen ordentlich zur Sache: Rendi-Wagner muss möglichst viele grüne „Leihstimmen“ von Christian Kern aus 2017 an sich binden, will sie nicht nach dem Wahltag eine veritable Führungsdebatte erben. Werner Kogler liegt zwar gut. Doch Umfragen haben die Grünen in ihrer Geschichte schon zur Genüge gewonnen.

Pilz genießt seine letzten Tage auf der Polit-Bühne

Nicht mehr das Krokodil. Nur einer scheint in diesen Tagen wirklich befreit aufspielen zu können: Peter Pilz genießt seine wohl letzten Tage auf der großen politischen Bühne in vollen Zügen. Bei der jüngsten Elefantenrunde ließ er gar so etwas wie Selbstironie durchblitzen. Das Krokodil, so Pilz, wolle er im politischen Theater zwar nicht geben, aber weiter mitspielen tät’ er bitte schon gern wollen.

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