Türkise & Grüne spüren Aufwind

Wer gewinnt diese Wahl?

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Die Ausgangslage der Parteien: Welches Ergebnis für sie ein ­Erfolg, was ein Debakel wäre.

Türkis steht als Sieger fest – wie groß wird Vorsprung?

Erster. Bei der ÖVP ist in den vergangenen Tagen wieder die Euphorie-Stimmung zurückgekehrt. Hat die Kurz-Partei seit Beginn des Wahlkamps – im Juni lag sie noch bei knapp 40 Prozent – sukzessive verloren, fühlen viele in der Umgebung des Altkanzlers: Da geht noch was. Dass Sebastian Kurz als Erster über die Ziellinie gehen wird, stand von Beginn an außer Frage, nur das Ausmaß des Vorsprungs auf die Verfolger war unklar.

Ball flach halten. Die letzten parteiinternen Umfragen sehen die Partei bei 34 bis 35 Prozent. Doch der Spesenskandal und die Auflösungserscheinungen des ehemaligen Koalitionspartners lassen die Türkisen wieder träumen. Sebastian Kurz selbst kommen die prognostizierten 34 Prozent gelegen, hat in der vergangenen Woche alles versucht, um den Ball flach zu halten, damit die Funktionäre wirklich bis zum letzten Augenblick rennen und kein Wähler zu Hause bleibt. Auch das „Schreckgespenst“ einer rot-grün-pinken Koalition wurde bis zuletzt bemüht. Doch insgeheim hofft man in der Kurz-Partei auf 36 Prozent und mehr, vor allem mithilfe freiheitlicher Stimmen, die im letzten Moment umschwenken.

Rendi-Wagners Schmerzgrenze liegt bei 22 Prozent

Jubelfeier. Auch in der SPÖ hat sich die Stimmung in der Schlusswoche des Wahlkampfs ins Positive gedreht. Die Abschlusskundgebung im Zelt vor der Parteizentrale in der Löwelstraße am Freitagabend war geradezu eine Jubelfeier. Auch die Roten sehen sich durch den neuen blauen Skandal beflügelt. Viele Genossen glauben, dass das Rennen um Platz zwei zugunsten der SPÖ entschieden ist.

Wien-Ergebnis. Im Wahlkampfteam glauben einige, dass auch 25 oder 26 Prozent drin sind. Das wäre zwar gegenüber dem Wahlergebnis von 2017 (26,9 %) immer noch ein Verlust, doch eine solche Niederlage würde sich wie ein Sieg anfühlen. Alles kommt auf Wien an. Kann die SPÖ in ihrer Hochburg tatsächlich 31 Prozent holen, wäre alles gut für Rot. Doch die Genossen aus Wien bremsen die Hochstimmung. Sie haben Umfragen, in der die SPÖ nur auf 29 Prozent kommt.

Die Schmerzgrenze für die SPÖ läge bei 22 Prozent. Insider glauben zwar auch dann nicht – mangels Alternative – gleich an einen Wechsel an der Spitze, aber die Gegner ­einer türkis-roten Koalition wären gestärkt.

Spesenaffäre stürzt Blaue in depressive Stimmung

Halb so viele Fans. Der traditionelle Wahlkampfabschluss am Viktor-Adler-Markt hat es deutlich gezeigt: Die Stimmung für die FPÖ war schon mal besser. Es sind ungefähr halb so viele Fans gekommen wie 2017 und die da sind, tun sich mit dem Jubeln schwer. Vor zehn Tagen noch hatte man in der FPÖ auf den zweiten Platz gehofft, der scheint nun für viele außer Reichweite. Jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt. Viele fürchten, dass die Partei auf das schlechte EU-Wahlergebnis (17,2 %) zurückfallen könnte.

Dementsprechend verzweifelt wirken die Reden von Klubchef Herbert Kickl, der seinen Gegnern einen „Schlag aufs Hosentürl“ wünscht, oder vom kranken Parteiobmann Norbert Hofer. Daran, dass sich doch noch eine Neuauflage von Türkis-Blau ausgeht, glauben in der Partei nur mehr wenige. Einige hoffen, dass die FPÖ doch noch zum Zug kommt, wenn sich die Kurz-Gespräche mit den anderen Parteien zerschlagen haben.

Zuvor wird Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache daran glauben (siehe auch S. 12). Mit seinem Ausschluss soll Kurz günstig gestimmt werden.

Demo-Schub für Grüne: Winken Ministerämter?

Greta-Boost. Die Grünen sind bester Stimmung. Sie erhoffen sich durch die „Earth Strike“-Demos einen zusätzlichen Schub. Parteichef Kogler wirkt zufrieden. Dass es die Partei wieder ins Parlament schafft, ist unumstritten, manche meinen auch, dass das großartige Ergebnis der EU-Wahl (14,1 %) wiederholt werden kann. Das scheint möglich, wenn es in Wien, wo Grün 2017 massiv verloren hat, einen Erdrutsch Richtung alte Stärke gibt.

Die Höhe des Ergebnisses ist entscheidend für allfällige Koalitionsgespräche. Was am Anfang des Wahlkampfs noch utopisch schien, beginnt für viele Grüne realistisch zu werden: eine grüne Regierungsbeteiligung. Manche rechnen bereits, dass sich im günstigsten Fall eine Zweierkoalition mit Türkis ausgehen könnte.

Schwache Neos hoffen auf eine Dirndl-Koalition

Boost. Die Neos haben einen guten Wahlkampf geführt und sind in diesen schmutzigen Wochen fast unbefleckt geblieben. Ihre Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger hat aufopferungsvoll gekämpft und sich auch von einer Krankheit nicht aufhalten lassen. Dennoch fürchten viele in der Partei, dass man unter den hochgesteckten Erwartungen bleibt. Das Ergebnis von 2017 (5,3 %) wird man zwar übertreffen, doch das EU-Ergebnis (8,4 %) würde als Erfolg gefeiert werden. Verzweifelt wird appelliert: „Kurz ist Sieger, Grün sicher drin, deshalb wählt jetzt Neos!“

Auch wenn sich Gönner Haselsteiner dagegen ausgesprochen hat: Eine „Dirndlkoalition“ mit Türkis und Grün wäre für Neos erstrebenswert.

Peter Pilz glaubt noch an die große Sensation

Nur einer ist überzeugt, dass Peter Pilz den Wiedereinzug schafft: Peter Pilz. Es gibt auch Experten, die eine Sensation, und das wäre der Sprung der Liste Jetzt über die 4-Prozent-Hürde, nicht ganz ausschließen. Dann könnte sich das erfüllen, was Pilz im TV-Duell prophezeit hatte: er in der Opposition, sein Ex-Haberer Kogler Minister.

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