Wahl-Analyse

Schlacht im TV: Wer überzeugen konnte, wer aufholen muss

Teilen

Die Experten-Zwischenbilanz der bisherigen TV-Duelle von Thomas Hofer: Noch gab’s keine große Wende.

Die Wahl ist nur mehr knappe zwei Wochen entfernt – Zeit, um über den bisherigen, äußerst intensiven TV-Wahlkampf eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ein wirklicher ­Gamechanger war in den bisherigen Aufeinandertreffen zwar nicht dabei, doch man kann einiges über die Stärke- und Schwächefelder der einzelnen Kandidaten sagen.

Souveräner Kurz ohne die Lockerheit von 2017

Der „Altkanzler“ hält Linie. Die 100%ige Lockerheit aus 2017 ist in diesem steinigen Wahlkampf natürlich weg. Aber der „Altkanzler“ hält Linie und hat gerade den (krankheitsbedingt) schwächelnden Norbert Hofer im wichtigen Duell mit dem im selben Wählerteich fischenden Konkurrenten FPÖ abgeräumt. Zweifel an seiner inhaltlichen Standfestigkeit, die die FPÖ ansonsten geschickt im Wahlkampf streut, hat er da gar nicht erst aufkommen lassen.

Die Gratwanderung, vom hohen Umfrageniveau weder Richtung FPÖ, Neos noch Grüne zu verlieren, ist schwierig genug, aber rhetorisch tut er das Seine, um so unbeschadet wie möglich durch die letzten Wahlkampftage zu kommen.

Spiel mit der Erwartung nützt Rendi-Wagner

Profitiert von Vorschussdisteln. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kommt im TV-Wahlkampf eines zugute: das übliche Spiel mit der Erwartungshaltung. Während sich bei Sebastian Kurz die Enttäuschung breitmacht, dass er nicht über Wasser gehen kann und in den Umfragen nicht schon bei 112 % Wähleranteil liegt, profitiert ­Rendi-Wagner von den Vorschussdisteln, die sie zu Beginn des Wahlkampfs überreicht bekam.

Sie hat an Trittsicherheit gewonnen, aber man merkt ihr die Verunsicherung schon noch an. Außerdem: Einen echten Befreiungsschlag kann man sich in diesem Debatten-Overkill von ihr auch nicht erwarten.

FPÖ-Hofer: Wo blieb 
 der Tee-Schmäh?

Lieblich säuselnde Inszenierung. Norbert Hofer wurde in zahlreichen Präsidentschaftsduellen gestählt. Diese Routine merkt man. Aber er vermeidet (anders als 2016) Sager, die aufs Konto seiner Kritiker einzahlen, die ihn als Wolf im Schafspelz sehen („Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“). Bloß der Kommunisten-Vorwurf an Peter Pilz erinnerte an die harten Matches mit Alexander Van der Bellen.

Ansonsten ist die Inszenierung lieblich-säuselnd – und fast schon zu viel. Gerade gegen Kurz ging das nicht auf. Hofers Fieber war dabei sicher belastend. Er verabsäumte es aber auch, den Trick von Franz Vranitzky aus dem Kanzlerduell 1995 mit Wolfgang Schüssel zu wiederholen. Schüssel dominierte gegen den kränklichen Kanzler, der sich während der Sendung gar Tee servieren ließ. Das Publikum hatte Mitleid mit dem angeschlagenen Kanzler – und strafte den VP-Chef für seine Aggressivität.

Beate Meinl-Reisinger:
 Die solide Pinke

Da ist noch Potenzial drin. Für Beate Meinl-Reisinger ist das wirklich Positive an diesem bisherigen TV-Wahlkampf, dass sie noch kein Mensch mit dem gerade in TV-Debatten hyperaktiven Matthias Strolz verglichen hat. Das ist schon mal viel wert. Die Diskussionen waren unterschiedlich. Mal wirkt sie selbstsicher und macht auch den einen oder anderen rhetorischen Drübersteiger (wie das zweifelhafte Lob an Peter Pilz in der Bundesländer-Elefantenrunde), dann verliert sie sich in Details und lässt Sitzer aus. Gerade gegen Kurz ist in den kommenden Runden also noch Potenzial drinnen.

Kogler: Stimmig, jovial, 
aber auch passiv

Der Spagat gelingt ihm gut. Die Herausforderung für den grünen Frontmann Werner Kogler sollte man in diesem intensiven TV-Wahlkampf nicht unterschätzen: Wie auch die ÖVP muss er die Flughöhe in diesem Wahlkampf erst einmal bis zum Schluss halten. Bisher gelingt ihm der Spagat zwischen der klimapolitischen Themenkonjunktur und der Vermeidung der Diskussion allzu harter CO2-Maßnahmen für die Bevölkerung recht gut.

Auch vom Koalitions-Schwebebalken (Wie hältst Du’s mit der ÖVP?) ist er noch nicht gestürzt. Koglers Asset ist vor allem seine Stimmigkeit. Und seine jovialen Sager. Gegen Ex-Parteifreund Peter Pilz allerdings war er zu passiv.

Last Exit Pilz. Helfen 
wird’s ihm wenig

Er genießt seine letzten Tage. Der genießt seine wohl letzten Tage im politischen Scheinwerferlicht. Er erinnert an Jörg Haider aus dessen Wahlkampf 2008. Diesmal ist Pilz der Altmeister, der jeden Untergriff schon probiert und, wenn er gegen ihn gerichtet war, weggesteckt hat. Gekonnt zieht er rhetorische Bilder auf, zeichnet Horrorszenarien an die Wand – und haut sogar noch die Grünen mitleidsvoll in die Pfanne, wenn er Werner Kogler als Vizekanzler einer ÖVP-geführten Koalition tituliert. Pilz macht, was er in seiner Situation machen muss.

Allein: Helfen wird’s, anders als bei Jörg Haider, wohl wenig.

 

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.