VP-Chef in Formkrise:

Solange Kurz solche Gegner hat, kann er locker bleiben

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Experte Thomas Hofer über 
einen eigenartig fehleranfälligen Wahlkampf.

Bislang war es in vielen Wahlkämpfen so, dass eine Partei mit kluger Stra­tegie, personellen Überraschungen oder technischer Überlegenheit punktete. 2002 überrumpelte Wolfgang Schüssel die FPÖ: Die Freiheitlichen brauchten nach dem Regierungsbruch einige Zeit, um überhaupt ­einen Spitzenkandidaten zu finden. Sie mussten noch zusehen, wie Karl-Heinz Grasser als Überläufer zur ÖVP die Schlagzeilen beherrschte. 2006 folgte die Rache an Schüssel – allerdings von SPÖ-Spitzenkandidat Alfred Gusenbauer, der den zu selbstsicheren Kanzler mit einer geschickten Negativtaktik aushebelte. Vor zwei Jahren schließlich ließ Sebastian Kurz keinen Zweifel daran, dass er die modernen Wahlkampftechniken am besten draufhatte.

Kandidaten geht es darum, wenigste Fehler zu machen

Diesmal ist es anders. Gut zwei Drittel des Wahlkampfs (13 Wochen) liegen hinter, nur mehr sechs Wochen vor uns. Und langsam beschleicht Beobachter das Gefühl, dass es den Kandidaten diesmal eher darum geht, die relativ gesehen wenigsten Fehler zu machen. Thematisch ist der Wahlkampf so arm wie seine Vorgänger. Die Klimafrage schwirrt durch den Raum, aber keine Partei getraut sich, die Konsequenzen einer rigideren Umweltpolitik zu erklären. Im Gegenteil: Man warnt vor teurem Diesel und teurem Schnitzel. Das war’s dann.

Glaubt man den Parteien, hat sich jeweils der Rest der Welt ohnehin gegen sie verschworen. Obwohl in Sachen „Dirty Campaigning“ nicht die Intensität früherer Wahlkämpfe erreicht ist, dominiert das Thema die Medien. Nützen können diese Stimmung allenfalls die kleineren Parteien, und zwar dann, wenn es die Großen mit gegenseitigen Verdächtigungen zu bunt treiben.

Wettkampf um den 
größten Schmutzkübel

Für Ex-Kanzler Kurz ist der Wettkampf um den größeren unterstellten Schmutzkübel nicht erfreulich. Schon 2017 litt er auf den letzten Metern darunter, dass einige (auch Ex-)ÖVP-Mitarbeiter in der Affäre um den damaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein auftauchten. Auch nun gelang es Kurz ­lange, über den Dingen zu schweben. Dadurch, dass er nicht auf die Parlamentsbühne wechselte, vermied er den Strudel des täglichen Hickhacks.

Kurz erinnert an SPÖ zur Zeit der Elsner-Verhaftung

Dort ist er nun trotzdem gelandet: Mit einem un­gewohnt unruhigen und ­fehleranfälligen Stil (von Schredder-Gate bis zum Stadthallen-Prediger) hat die ÖVP zwar in den Umfragen noch wenig verspielt, souverän sieht aber anders aus. Kurz’ Imagewerte leiden, und langsam wirkt der Siegfried aus 2017 verwundbar. Sich nun auch noch auf die Ermittlungen der Justiz einzuschießen, mag politisch angesagt sein, aber es erinnert an die waidwunde SPÖ des Jahres 2006. Damals zeterten die Sozialdemokraten, dass sich die ÖVP die Verhaftung von Ex-Bawag-General Helmut Elsner in der Schlussphase des Wahlkampfs „bestellt“ hätte.

Niemand in der FPÖ kann Strache zur Räson bringen

In den Schatten gestellt wird die ÖVP aber (wieder einmal) von der FPÖ. Sie hat nach dem Einschlag des Skandalvideos von Ibiza zwar deutlich besser reagiert als nach dem Aufstand von Knittelfeld 2002. Doch langsam apern interne Zerwürfnisse aus. Und das zur Unzeit: Erst konterkariert der burgenländische FP-Chef ­Johann Tschürtz mit seiner Vorliebe für Rot-Blau die Vorgabe Norbert Hofers. Und dann legt auch noch Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache mit seinen merkwürdigen Serieninterviews die Autorität seines Nachfolgers in Schutt und Asche. Offenbar gibt es niemanden, der Strache in seiner permanenten Aufwallung zur Räson bringen kann. Klar ist nur: Helfen wird das der FPÖ kaum.

Aufwärtstrend bei der 
SPÖ ist nicht zur erkennen

Damit wären wir beim logischen Gewinner des Showdowns innerhalb und zwischen den ehedem so har­monischen schwarz-blauen Partnern: der SPÖ. Doch halt: Anstatt zuzulegen, tritt sie bestenfalls auf der Stelle. Ein Aufwärtstrend, der – will die SPÖ ins Kanzlerrennen – längst hätte einsetzen müssen, ist nicht zu erkennen. Der präsenteste Vertreter der SPÖ war zuletzt der politisch eher verhaltensauffällige Parteichef aus Tirol. Und dann taten sich auch noch die niederösterreichischen Kollegen mit sehr lustigem Dosenschießen hervor.

Fazit: Solange Sebastian Kurz solche Gegner hat, kann er trotz Formkrise locker bleiben.

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