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Starke Quote

Eine Million sah Kurz-Sommergespräch

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Kurz: Seine Abneigung gegen Kickl, dazu 'Warnung' vor Kanzlerin Rendi.

Traum-Quote. Bis zu 1,082 Millionen Zuseher haben Montagabend das ORF-"Sommergespräch" mit ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz verfolgt. Durchschnittlich waren 997.000 (vorläufige Gewichtung) bei 31 Prozent Marktanteil via ORF 2 mit dabei. Bis zu 956.000 sahen die anschließende "ZIB 2".

Insgesamt erreichten die traditionellen Gesprächsrunden 2,738 Millionen Österreicher (weitester Seherkreis), das entspricht 36,4 Prozent der heimischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren. Durchschnittlich sahen 794.000 Zuseher bei 27 Prozent Marktanteil die fünf Ausgaben, in der jungen Zielgruppe (12 bis 49 Jahre) lag der Marktanteil bei 17 Prozent.
 
Das "Sommergespräch" mit Kurz (997.000 Seher, 31 Prozent Marktanteil) hatte dabei die meisten Zuseher, wie aus einer Bilanz des ORF hervorgeht. Mit Ausnahme der Gespräche mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Kurz wurden dabei alle Sendungen endgültig gewichtet. Das erste Gespräch mit JETZT-Parteichefin Maria Stern sahen durchschnittlich 628.000 Seher (22 Prozent Marktanteil), jenes mit NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger verfolgten durchschnittlich 658.000 Seher (23 Prozent Marktanteil), FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer schaffte durchschnittlich 829.000 Seher und 27 Prozent Marktanteil, Rendi-Wagner hatte durchschnittlich 855.000 Seher und 30 Prozent Marktanteil
 

Auch Online großes Publikumsinteresse

Auch online war das Publikumsinteresse hoch: Laut Online-Bewegtbild-Messung erzielten die Live-Streams und Video-on-Demands der ersten vier "Sommergespräche" (Nutzung bis inkl. Sonntag, 1. September) in Österreich insgesamt 169.000 Nettoviews (zusammenhängende Nutzungsvorgänge) und 900.000 Bruttoviews (registrierte Videostarts einer Sendung/eines Beitrags). In Summe lag das Gesamtnutzungsvolumen bisher bei 3,8 Mio. Minuten. Die Durchschnittsreichweite lag pro Ausgabe bei 18.000. Daten zum gestrigen "Sommergespräch" mit Sebastian Kurz/ÖVP liegen noch nicht vor. Alle "Sommergespräche" bleiben noch bis 9. September 2019 als Video-on-Demand auf der ORF-TVthek verfügbar.
 
Am heutigen Dienstag geht der TV-Wahlkampf mit der ersten Elefantenrunde weiter. ORF III überträgt um 18.30 Uhr die Ö1-"Klartext"-Elefantenrunde aus dem Großen Sendesaal des ORF RadioKulturhauses. Kurz , Rendi-Wagner, Hofer, Meinl-Reisinger, Peter Pilz (JETZT) und Werner Kogler (Grüne) diskutieren im Rahmen einer erweiterten "Klartext"-Gesprächszeit 90 Minuten miteinander. Ein Dakapo der Sendung zeigt ORF III im Spätabend um 22.55 Uhr.
 

Die Analyse vom Sommergespräch

„Das Innenministerium braucht jemanden an der Spitze, der moralisch integer ist“ – so klar richtete ÖVP-Chef Sebastian Kurz im gestrigen ORF-Sommergespräch  Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) aus, dass er seine Hoffnungen auf ein Comeback als Boss der Exekutive begraben sollte. Diese Reaktion zeigte einmal mehr, dass der junge Alt-Kanzler die Angriffe Kickls gegen seine Person ebensowenig wie Kickls  Amtsführung vergessen hat. Kurz: „In einer Regierung, die ich anführe, wird Kickl keine Rolle mehr spielen. Der Bundespräsident sieht das ähnlich.“ Womit der ÖVP-Chef nun offensichtlich kalkuliert: Dass sich in der FPÖ der Hofer-Flügel gegen die Kickl-Gruppe durchsetzt – und die noch immer recht aktive Fan-Community Straches eher Norbert Hofer unterstützen würde.

Video zum Thema: Kurz im Sommergespräch: 'Kickl? nicht mit mir'

Mit der Frage nach den Koalitionsmöglichkeiten lieferte der ORF-Moderator dann Sebastian Kurz auch einen Elfmeter, den dieser für seine Zielgruppe nur noch verwandeln musste: Der ÖVP-Chef warnte vor einer „Mehrheit von Rot-Grün-Neos“ – denn wenn es diese gäbe, würden diese Parteien die Regierung unter einer Kanzlerin Rendi-Wagner stellen. Und Kurz nutzte die Koalitionsspekulationen für einen weiteren verbalen Rempler gegen seine Mitbewerber: Man wisse ja gar nicht, wer die anderen Parteien nach der Wahl noch anführe . . .

Video zum Thema: Kurz (ÖVP) schließt keine Partei aus

Was im Sommergespräch des ÖVP-Chefs auffiel: Kein Wort zu den Themen Migration und Österreichs Außenpolitik, stattdessen eine langatmige Debatte mit dem ORF-Moderator über mögliche Maßnahmen gegen den Klimawandel. Auch die Probleme in der Landesverteidigung waren in knapp einer Minute abgehandelt – Kurz meinte nur knapp zur dramatischen Finanzkrise des Bundesheeres: „Wir sind ja kein NATO-Land.“ Und er tue sich schwer mit der „pauschalen Forderung nach mehr Geld“. Ob dieses Desinteresse an der Sicherheitspolitik speziell bei den ÖVP-Kernwählerschichten gut ankomme, wollte der ORF-Moderator dann doch nicht fragen – stattdessen kamen sogenannte „Mini-Fragen“ nach dem Lieblingsgetränk im Sonnenuntergang, seinen handwerklichen Fähigkeiten und über die Anzahl seiner U-Bahnfahrten.

Richard Schmitt

 

Sebastian Kurz: 'Kickl? Nicht mit mir'

Der ÖVP-Chef und Altkanzler beschloss den Reigen der Sommergespräche im ORF und startete damit die heiße Phase seines Wahlkampfs. Hier die wichtigsten Passagen des Talks mit ORF-Moderator Tobias Pötzelsberger. Eines vorweg: Eine Tröt-Attacke eines Energy-Drinks war diesmal gar nicht möglich – wegen des Wetters saß man nicht im Garten, sondern im Studio.

  • Schon gewonnen? „Umfragen sind sehr positiv – aber deshalb regieren wir ja nicht. Wenn Rot-Grün-Neos eine Mehrheit haben, werden sie eine linke Regierung bilden.“
  • Welche Koalition? „Ich kann es noch nicht sagen, weil sich nach der Wahl sehr viel tut in den Parteien: Wir wissen nicht, wer setzt sich bei der FPÖ durch: Norbert Hofer oder ein anderes Lager. Auch in der SPÖ wissen wir nicht, wer die Führung nach der Wahl übernimmt. Wir schließen keine Partei aus, wenn es eine Koalitionsvariante gibt. Wenn ich wüsste, welche Koalition es wird, würde ich das sagen. Die Koalition mit der FPÖ hat inhaltlich gut funktioniert, aber aufgrund der mangelnden Sensibilität nach Ibiza konnten wir nicht weitermachen. Wenn wir stärkste Kraft werden, werden wir in Sondierungsgespräche gehen. Dabei geht es darum, mit wem kann man stabil regieren?“
  • Kann es die FPÖ? „Inhaltlich war es eine ausgezeichnete Arbeit, ich habe viel aushalten müssen, ich habe unter den Einzelfällen gelitten – Identitäre bis hin zu antisemitischen Ausritten. Wir erleben die Vorwürfe bei den Casinos, das Spiel mit NS-Diktion. Die Doppelstrategie – Hofer auf der einen, Kickl auf der anderen Seite – ich habe das Gefühl, dass die FPÖ derzeit nicht weiß, was sie will.“
  • Kickl als Minister? „Bei Rot-Blau vielleicht, in einer Regierung, die ich führe, da wird er keine Rolle spielen, das sieht der Präsident genau so. Wer Klubobmann wird, das kann ich nicht bestimmen.“
  • Unabhängiger Innenminister? „Ich habe mit Experten gute Erfahrungen gemacht und würde das so wieder so handhaben. Es braucht jemanden mit Expertise und dem nötigen moralischen Background.“

 

Kurz weist Wahlkampfkosten-Vorwurf zurück: "Rechtskonform"

Der ÖVP-Chef hat zudem den Vorwurf zurückgewiesen, die ÖVP stelle ihre Wahlkampfkosten nicht wahrheitsgetreu dar und werde auch heuer wieder die Kostengrenze überschreiten. In dem "Falter"-Artikel über eine "doppelte Buchhaltung" würden "teilweise unwahre Behauptungen" getätigt, die ÖVP habe hier und in der Frage der Spenden-Stückelung immer rechtskonform gehandelt, sagte er.

Video zum Thema: Kurz über Vorwurf der Wahlkampfkostenüberschreitung


Die ÖVP-Praxis sei "nicht doppelte Buchhaltung, sondern Erfüllen dessen, was im Gesetz steht", verwies Kurz darauf, dass gesetzlich zwischen laufenden Kosten (etwa für Mitarbeiter) und speziellen Wahlkampfkosten unterschieden werde. Begrenzt seien nur Letztere - und jede Partei müsse auflisten, was wahlkampfkostenrelevant ist und was nicht. An die Kostengrenze von sieben Mio. Euro zwischen Stich- und Wahltag werde sich die ÖVP halten, versicherte er einmal mehr.

 

"Gesetz ist, wie es ist"

Auch dass die Milliardärin Heidi Goess-Horten der ÖVP 2018 und 2019 mehr als 900.000 Euro an Spenden so gestückelt zukommen ließ, dass sie nicht sofort an den Rechnungshof gemeldet werden mussten, verteidigte Kurz als gesetzeskonform. "Das Gesetz ist, wie es ist", der einzige Vorwurf, den man der ÖVP machen könne, wäre, dass sie es nicht übererfüllt. Aber das wäre, "wie wenn ich jemandem vorwerfe, warum er in der 50er-Zone nicht 30 km/h fährt".

Den Vorwurf, dass es Gegenleistungen der ÖVP für Großspender gab, wies Kurz empört zurück: "Gar nichts" habe die ÖVP für die Spenden getan, "alles andere wäre Korruption, dafür geht man ins Gefängnis". Auch dass Verwandte von ÖVP-Spendern mit Posten bedacht wurden - die Tochter Klaus Ortners wurde z.B. in den Aufsichtsrat der Staatsholding berufen -, wollte sich der Ex-Kanzler nicht vorhalten lassen. Er habe "Hunderte Personalentscheidungen" getroffen, nur zwei davon hätten Verwandte von Spendern betroffen. Er suche "Personen nach Kompetenz aus", versicherte Kurz.

 

Kurz: "Ständige Skandalisierung"

Der ÖVP-Spitzenkandidat beklagte, dass immer wieder versucht werde, etwas zu "skandalisieren" - und am Ende rauskomme, dass alles rechtskonform sei. "Diese ständige Skandalisierung regt mich mittlerweile ein bisschen auf", er habe "das Gefühl, dass da System dahintersteckt".

Für die Grünen war der "Falter"-Artikel über die Wahlkampfkosten-Verbuchung der ÖVP hingegen Anlass für scharfe Kritik. Wahlkampfleiter Thimo Fiesel empörte sich in einer Aussendung über einen "weiteren Versuch des WählerInnenbetrugs" - und forderte Konsequenzen. Selbst wenn die ÖVP dabei innerhalb der gesetzlichen Grenzen bleibe, wäre "die Vertuschungsabsicht dahinter ist jedenfalls unanständig und absolut verwerflich".

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