Schwierige Brautschau

Mit wem Kurz regieren will

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Erste Vorgespräche zwischen Grün & VP. Oder kommt doch VP-SP?

Eine neuerliche Koalition mit der FPÖ würde Österreich „schaden“, richtete der Biograf von Sebastian Kurz, Paul Ronzheimer, diesem gestern via großem Kommentar in der Bild aus. Am heutigen Wahlabend wird VP-Chef Sebastian Kurz trotzdem weiter beteuern, dass er „mit allen Parteien Gespräche führen“ werde. Im Wahlkampf musste die VP das – aus ihrer Sicht – machen, um möglichst viele verärgerte Ex-FPÖ-Wähler zu sich zu ziehen.

Jetzt wollen sich die Türkisen keinerlei Option aus der Hand nehmen lassen. Der Poker um eine neue Koalition wird schließlich hart genug werden.

VP-Insider berichten freilich, dass Kurz eine „Koalition mit neuem Flair“ wolle. Leicht werde das trotzdem nicht, da die alte Koalition zwischen Türkis und Blau bei rund der Hälfte der VP-Wähler immer noch beliebt sei.

Erste Geheimgespräche über Türkis-Grün

Koalitionspapier. Aber: Kurz hatte bereits bei der Weinverkostung am Pogusch im Juni ein „auffallendes Interesse“ an Grünen-Chef Werner Kogler gezeigt, berichten Vertraute. Im Sommer hätten grüne und türkise Kreise – mit Pouvoir – dann bereits „das aus 2003 stammende fast fertige Regierungsübereinkommen zwischen ÖVP und Grünen rausgeholt und auf dieser Basis bereits Gespräche geführt“, so ein Insider. Damaliger Grün-Verhandler war übrigens der heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Ob sich eine türkis-grüne Mehrheit ausgeht, werden wir heute wissen. Ob SPÖ oder FPÖ der VP nicht doch einfacher erscheinen, bleibt abzuwarten.

ÖVP-Grün-Neos

Sebastian Kurz hat (siehe links) bereits Emissäre zu den Grünen ausgeschickt, um zu sehen, was möglich ist. Auch mit den Neos wurde bereits ein allfälliger Dreier ausgelotet. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist grundsätzlich für diese Variante.

Die Grünen – in den Bundesländern – haben VP-Landeshauptleuten ein Grundinteresse bekundet. Entscheidend für Grüne und Neos wären ein strenges Parteifinanzengesetz, ein weitgehendes Klima- und Bildungspaket.

VP-Chef Kurz und die Seinen müssten Werner Kogler und Neos in diesen Punkten entgegenkommen. Dafür dürften die zwei Kleinen nicht darauf beharren, seine bisherige restriktive Migrationspolitik zu kippen. Über diese Hürde würde Kurz nicht springen.

Die Grünen brauchen eine Zustimmung ihres Bundeskongresses für eine allfällige Koalitionsvereinbarung. Die Neos das O. K. ihrer Generalversammlung.

Bundesrat. In der FPÖ warnt man, dass diese Koalition „keine Mehrheit im Bundesrat“ hätte. Stimmt, aber die hatte der legendäre einstige SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky auch nicht und fuhr eine Absolute nach der anderen ein.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird sich wohl für diese Regierung, die international respektiert würde, einsetzen.

Modell Fischer. Werner Kogler könnte wie einst Joschka Fischer Vizekanzler und Außenminister werden. Beate Meinl-Reisinger Bildungsministerin. Leonore Gewessler würde grüne Umweltministerin. Sepp Schellhorn Neos-Wirtschaftsminister.

Kurz Meinl-Reisinger, Kogler
© Getty; APA; Artner

Türkis-Grün: Koalition der Wahlgewinner

Wenn Umfragen und Anzeichen stimmen, dann werden Türkis und Grün die Siegesfarben des heutigen Wahlsonntages werden. Wenn sich die Trends der letzten Tage – enormer Zulauf bei den Klimademos, Rekordanzahl an Briefwählern und eine starke Wahlbeteiligung der Jungen bestätigen, dann könnte sich sogar ein Zweier zwischen Sebastian Kurz und Werner Kogler ausgehen. 2003 scheiterten die Koalitionsgespräche zwischen Wolfgang Schüssel und Alexander Van der Bellen an einer ökosozialen Steuerreform und den Eurofightern. Bei der Steuerreform würden sich VP und Grün jetzt rasch finden. Beim Rest? Schwierig, aber möglich. Aber: Diese Variante bräuchte eine abgesicherte Mehrheit.

Türkis-Rot: Stabil, aber unbeliebte Ehe

ÖVP und SPÖ kämen wohl auf eine relativ deutliche Mehrheit – zwischen 105 bis 110 Mandate –, aber leicht würde diese Variante trotzdem nicht. VP-Chef Sebastian Kurz ­befürchtet, dass ein Pakt mit SP-Chefin Pamela ­Rendi-Wagner erneut zu einer „Koalition des Stillstandes und des Streits“ führen könnte, berichten Vertraute. Zudem sei diese Variante sowohl bei Türkisen als auch bei Roten eher unbeliebt.

Teile der Wirtschaft und manche VP-Länderchefs – etwa der steirische VP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer – raten aber zu dieser Politehe.

Rendi-Wagner würde in dieser Variante naturgemäß Vizekanzlerin. Die bisherige rote Nationalratspräsidentin Doris Bures könnte wieder Infrastrukturministerin werden, die zudem die Regierungskoordination für die SPÖ übernehmen müsste.

Sonja Hammerschmid wäre die logische Bildungsministerin in den Augen von Rendi-Wagner und Thomas Drozda würde dann wohl Kulturminister werden.

Die Medienagenden würde die ÖVP freilich im Kanzleramtsministerium behalten, das Gernot Blümel wieder für die ÖVP besetzen würde. Kurz will überhaupt sämtliche seiner Minister wiederbestellen lassen.

Kurz-Kenner wetten trotzdem nicht auf Türkis-Rot. Er würde diese Variante nur eingehen, wenn er keine andere Wahl hätte.

Rendi Kurz
© Fotomontage

ÖVP-FPÖ: Inhaltlich leicht, aber russisches Roulette

 

Auch, wenn die meisten in der ÖVP den dann logischen FP-Vizekanzler Norbert Hofer schätzen, hält man die FPÖ für ein „nicht mehr kalkulierbares Risiko“, so ein VP-Stratege. Hofer würde Andreas Reichhardt als Infrastrukturminister vorschlagen. Aber: Ein Rauswurf von Heinz-Christian Strache alleine würde nach den jüngsten FP-Spesen­affären und blauen Spaltungstendenzen nicht reichen. Die FPÖ hat zudem das Problem, dass Ex-FP-Minister Herbert Kickl die FPÖ ohnehin lieber auf hartem Oppositionskurs sehen würde. Die ÖVP lehnt ihn als Minister ab. „Wir wissen ja nicht, was in der FPÖ noch passieren wird“, sagt ein Türkiser, der gerne mit Blau regiert hätte, resignativ. Sollte Hofer der wundersame Akt gelingen, die FPÖ völlig zu verändern, wäre diese Politehe aber noch möglich.

Kurz Hofer
© Fotomontage: oe24

 

ÖVP-Minderheitskabinett: Türkise Minister & Experten

m Wahlkampffinale ventilierte VP-Chef Sebastian Kurz zuletzt häufiger eine Minderheitsregierung. Das hatte er freilich auch bereits im Wahlkampf 2017 gemacht, um nicht zu sehr auf lästige Koalitionsfragen einsteigen zu müssen. Um so ein Minderheitskabinett zu schmieden, bräuchte Kurz freilich weit mehr als die prognostizierten 34 bis 35 Prozent.

Zudem würde die ÖVP trotzdem einen Partner benötigen. Die Neos könnten für Sachprojekte gewinnbar sein, ebenso die Grünen. Aber: Dieses Experiment scheiterte bereits nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition im Mai am Misstrauensantrag von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt.

Personen. Kurz würde dies nur im Notfall versuchen und dann wohl Brigitte Bierlein für das Vizekanzleramt und Justizministerium sowie Eckart Ratz als Innenminister für sich gewinnen wollen.

 

SPÖ-Grüne-Neos: Kleine Außenseiterchance

Derzeit deutet keine einzige Umfrage eine mögliche Mehrheit von SPÖ, Grünen und Neos an. Zudem gab es in Österreich schon seit Jahrzehnten keine Mehrheit gegen VP-FP. Da die Neos aber keine linke Partei sind und durchaus auch einstige VP-Wähler ansprechen, hätte diese Koalitionsform zumindest eine minimale Restchance auf eine Mehrheit. Realistisch ist das freilich nicht. Pamela Rendi-Wagner würde in dieser Konstellation Kanzlerin, die sich rasch mit Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger einigen könnte. Wetten sollte Sie auf diese Koalition nicht.

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