Wahl-Kommentar

Ende der rechten Wende

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oe24.TV-Kommentator Sebastian Bohrn Mena in seiner Kolumne zum aktuellen Wahlkampf.

Kurz vor der Wahl sind nur zwei Dinge bombensicher: Die ÖVP wird stimmenstärkste Partei, die Liste Jetzt von Peter Pilz fliegt raus. Alles andere ist offen. Und das ist durchaus spannend, denn es geht hier nicht nur um diese Wahl. Es geht auch um die nächste, die schneller kommt, als wir denken. Letztlich wird ein Ende der rechtskonservativen Wende eingeläutet, die vor bald 20 Jahren begonnen hat.

Erwartbares Ergebnis. Die Umfragen waren bereits 2017 recht präzise und sie stimmen auch diesmal. Die Rohdaten zeichnen schon jetzt ein klares Bild: ÖVP mit 34–35 %, SPÖ bei 24–25 %, FPÖ bei rund 20 %, Grüne bei 13–15%, Neos bei maximal 8 %. Keine großen Überraschungen also, aber doch eine interessante Entwicklung, dass die SPÖ im Finish noch mal stärker wird, die Grünen das Maximum rausholen und die FPÖ deutlich verliert.

4. rechtskonservative Regierung. Wir werden nach dem 29. 9. die vierte Auflage einer rechtskonservativen Regierung aus ÖVP & FPÖ erleben, das scheint paktiert. Kurz hat Sorgenkind Kickl als Klubobmann bereits durchgewunken. Der Konflikt in der FPÖ um die Rückkehr von Strache wird aber bald zu einer Sprengung der Koalition führen.

Nerven bewahren. Auch wenn in den ein bis zwei Jahren von Schwarz-Blau 4 die Steuern für die Großunternehmen weiter gesenkt werden und die großen Vermögen weiter unangetastet bleiben, auch wenn sich die Lage am Arbeits- und Wohnungsmarkt weiter zuspitzen wird, so gilt es dennoch, die Nerven zu bewahren. Und sich schon jetzt mit der Zukunft zu ­beschäftigen.

Neuwahl spätestens 2022. Denn ich würde mich sehr wundern, wenn diese Regierung länger als bis 2021 hält, maximal bis 2022. Die Garantie dafür heißt: FPÖ. Bis dahin wird sich die Themenkonjunktur weiter zuungunsten der Rechtskonservativen entwickeln, denn die Klimakrise politisiert immer breitere Teile der Bevölkerung. Die desaströsen Auswirkungen auf unsere Natur werden sichtbarer, die Ökologie wird ein zentraler politischer Faktor.

Wenn die Grünen es in dieser Situation weiterhin schaffen, den Kurs zu halten, den sie unter Kogler eingeschlagen haben, also Kommunikation fernab von Selbstgerechtigkeit und moralischer Überlegenheit zu praktizieren, werden sie zur Großpartei aufsteigen. Wir sehen das bereits in Deutschland.

Neue Perspektive. Die entscheidende Frage wird aber auch sein, ob und wie sich die SPÖ entwickeln kann. Schafft sie es, und zwar bereits ab dem 30. 9., die soziale Gerechtigkeit wieder programmatisch ins Zentrum zu rücken, sich von Cliquenwirtschaft im Apparat zu verabschieden und sich ernsthaft zu öffnen? Dann könnte sie gemeinsam mit den Grünen die erste sozial-ökologische Regierung Österreichs bilden. Keine schlechte Aussicht für unser Land eigentlich.

Ein Wandel kommt. Es geht bei dieser Wahl also nicht nur um die nächsten 1–2 Jahre, es geht um die Ausgangsbasis für eine große Veränderung. Für einen politischen Wandel, den wir dringend brauchen, weil brennende Regenwälder in Südamerika und verhungernde Kinder in der Subsahara, enteignete Kleinbauern in Asien und Klimaflüchtlinge in Ozeanien unseren Alltag dominieren werden. Weil wir darauf Einfluss nehmen können und müssen. Auch wenn das Bewegung von uns erfordert.

 

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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