Kurden-Referendum

Erdogan droht mit Einmarsch in den Irak

Teilen

Iran und Türkei schließen Grenzen. Eine Mehrheit für die Unabhängigkeit wird erwartet.

Die irakischen Kurden haben am Montag trotz internationaler Proteste und gegen den Willen der Zentralregierung in einem Referendum über die Unabhängigkeit ihrer Region abgestimmt. Es wird erwartet, dass eine klare Mehrheit der Stimmberechtigten mit "Ja" votieren dürfte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte mit einer Militärintervention und einer Ölblockade.

Der Ausgang des Referendums in dem erdölreichen Gebiet ist zwar nicht bindend, doch soll es dem Chef der kurdischen Regionalregierung, Massud Barzani, ein Mandat für Verhandlungen mit der Regierung in Bagdad und den Nachbarstaaten geben. Auch die Türkei und der Iran sind gegen die Abstimmung. Beide Länder befürchten ein Erstarken kurdischer Autonomiebestrebungen in ihren Ländern. Der Iran schloss die Grenze zum Kurdengebiet.

Abstimmungsberechtigt waren nach Angaben der Wahlkommission alle registrierten Kurden und Nicht-Kurden in dem von der Autonomiebehörde kontrollierten Gebiet im Norden des Irak. Dies seien 5,2 Millionen Einwohner. Mit dem Endergebnis wurde innerhalb von 72 Stunden gerechnet.

 "Auf diesen Tag haben wir hundert Jahre gewartet", sagte ein Wähler in Erbil, der Hauptstadt der Region. "Wir wollen einen eigenen Staat haben." Die irakischen Kurden betrachten die Abstimmung auch als Anerkennung ihres Kampfes gegen die Islamisten-Miliz IS, die 2014 die irakische Armee überrannt und zeitweise ein Drittel des Staatsgebiets unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Abgestimmt wird nicht nur in dem offiziellen Autonomiegebiet der Kurden, sondern auch in Regionen, in die kurdische Milizen im Kampf gegen den IS vorgerückt sind. Die USA haben die Abstimmung vor allem in diesen Gebieten als Provokation gewertet.

Barzani widersetzte sich dem Druck, das Referendum abzusagen. Es wird befürchtet, dass die Abstimmung zu neuen Konflikten mit der Regierung in Bagdad und den Nachbarn Iran und Türkei führen könnte.

Die irakische Zentralregierung forderte ausländische Firmen auf, den Ölhandel mit den Kurden einzustellen. Die Autonomieregierung wurde aufgefordert, die Kontrolle über die internationalen Flughäfen, sowie die Grenzübergänge zum Iran, der Türkei und Syrien abzugeben.

Der Iran teilte am Montag mit, auf Bitte von Bagdad die Luft- und Landgrenze zur Kurdenregion geschlossen zu haben. Bereits am Sonntag hatte Teheran sämtliche Flüge in und aus der Kurdenregion ausgesetzt. Die iranischen Streitkräfte und die türkische Armee hielten in den vergangenen Tagen an der Grenze zum Irak zudem Militärmanöver ab, die als Warnung an die Kurden gesehen wurden.

Irans Präsident Hassan Ruhani versicherte Iraks Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi in der Nacht in einem Telefonat, Teheran unterstütze vollends die irakische Zentralregierung. Al-Abadi hatte am Sonntag bekräftigt, alle "nötigen Maßnahmen" zum Schutz der nationalen Einheit zu ergreifen. Das Referendum sei "verfassungswidrig und gegen den gesellschaftlichen Frieden", sagte al-Abadi.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan drohte der kurdischen Führung im Nordirak wegen des Unabhängigkeitsreferendums mit einer Blockade ihrer Erdöl-Exporte. Die Kurden im Nordirak exportieren ihr Öl über die Türkei.

Erdogan drohte außerdem mit einer militärischen Intervention im Nordirak nach dem Vorbild des türkischen Einmarsches in Syrien. "Wir können eines Nachts ganz plötzlich kommen", sagte er. So sei die Türkei auch in Syrien verfahren. "Wenn es sein muss, werden wir nicht davor zurückschrecken, auch im Irak solche Schritte zu unternehmen." Das Referendum nannte der Präsident "null und nichtig". Die Türkei werde das Ergebnis der "illegalen" Volksabstimmung nicht anerkennen.

Erdogan drohte an, die Grenze zur Kurdenregion ganz zu schließen. Schon im Moment sei der Durchgang nur in Richtung Irak erlaubt. Damit seien die möglichen Sanktionen noch nicht erschöpft. "Wir haben auch andere Maßnahmen. Auch die werden wir unabhängig davon einsetzen." Kurz vor Erdogans Ansprache hatte das Außenministerium türkische Staatsbürger in der nordirakischen Kurdenregion zur Ausreise aufgerufen und eine Reisewarnung ausgesprochen.

Die deutsche Bundesregierung hat sich ebenfalls gegen die Volksabstimmung ausgesprochen. Im Nordirak sind deutsche Soldaten stationiert, die kurdische Peschmerga für den Kampf gegen die Islamisten-Miliz IS ausbilden.

   In Wien fand vor dem Parlament eine Solidaritätskundgebung statt.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.