Erstmals Doppelspitze

Esken und Walter-Borjans neue SPD-Vorsitzende in Deutschland

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Beide profilierten sich als Kritiker der Großen Koalition - Wollen linkes Profil der Partei schärfen - Erstmals Doppelspitze.

Berlin. Die linke Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans sind neue Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten. Der SPD-Parteitag wählte die beiden Kritiker der Großen Koalition am Freitag in Berlin und bestätigte damit das Ergebnis des Mitgliederentscheids.
 
Die 58-jährige Esken erhielt 75,9 Prozent, der 67 Jahre alte Walter-Borjans 89,2 Prozent der Stimmen. Damit wird die Partei erstmals von einer Frau und einem Mann gemeinsam geführt.
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Andrea Nahles war bei ihrer Wahl im April des vergangenen Jahres auf 66,35 Prozent gekommen. Das Duo Walter-Borjans/Esken hatte die Stichwahl beim Mitgliederentscheid gegen die brandenburgische Politikerin Klara Geywitz und Finanzminister Olaf Scholz für sich entschieden. Esken und Walter-Borjans waren auf 53,06 Prozent gekommen, die Befürworter der Großen Koalition Geywitz und Scholz nur auf 45,33 Prozent.
 
Esken und Walter-Borjans wollen ihre Partei auf einen klaren Linkskurs führen und dafür notfalls die Regierungskoalition mit den Christdemokraten mittelfristig verlassen, wie sie in ihren Bewerbungsreden deutlich machten. Vor rund 600 Delegierten kündigten sie an, dass sie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich schließen und mehr Klimaschutz durchsetzen wollten. Beide zweifelten daran, ob das mit der CDU/CSU in der Großen Koalition möglich ist.
 

Fortsetzung der großen Koalition

 
"Ich war und ich bin skeptisch, was die Zukunft dieser Großen Koalition angeht", sagte Esken. "Viel zu lange war die SPD in den letzten Jahren in ihrer eigenen Denke mehr Große Koalition als eigenständige Kraft." Die SPD gebe der Großen Koalition eine "realistische Chance auf eine Fortsetzung" - "nicht mehr, aber auch nicht weniger".
 
Walter-Borjans will das linke Profil seiner Partei schärfen, wie er auf dem SPD-Parteitag sagte. Was heute oftmals als links bezeichnet werde, sei "eigentlich nur richtig sozialdemokratisch", sagte er auf seiner Bewerbungsrede. Wenn es links sei, "dass wir das Auseinanderdriften der Gesellschaft nicht akzeptieren", dann habe er mit dieser Bezeichnung kein Problem.
 
Er kritisierte, die Vermögensungleichheit in Deutschland sei eine der höchsten in der EU, auch die Einkommensungleichheit nehme zu. Das Prinzip, "dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache", sei ausgehöhlt worden, beklagte er. In Deutschland gebe es eine Umverteilung "von unten nach oben", kritisierte er. "Es ist höchste Zeit, das wirklich mal zu ändern." Die SPD müsse "wieder die Partei der Verteilungsgerechtigkeit" werden. Hohe und höchste Einkommen und Vermögen müssten wieder einen "angemessenen Beitrag" zur Finanzierung des Gemeinwohls leisten.
 
Zugleich wandte sich Walter-Borjans gegen ein prinzipielles Festhalten an der schwarzen Null. Die SPD wolle "unseren Kindern ein Land mit sauberer Luft", attraktiven Arbeitsplätzen und vor allem einer "hervorragenden Bildung" hinterlassen, sagte er. Den kommenden Generationen nutze es wenig, "wenn wir ihnen eine niedrige Schuldenquote hinterlassen", aber die "Umwelt vergiftet" und die Infrastruktur marode" sei. "Das wären viel schlimmere Schulden", betonte der 67-Jährige.
 

Gegen Aufrüstung der Bundeswehr

 
Dagegen wandte er sich gegen deutlich höhere Ausgaben für die Verteidigung. "Ausrüstung ja, aber Aufrüstung nein", sagte Walter-Borjans. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer scharf. Diese wolle die Bundeswehr an "möglichst vielen Orten" der Welt im Einsatz sehen - das sei "grundfalsch". Für eine "Militarisierung der Außenpolitik" sei die SPD nicht zu haben.
 
Zur Großen Koalition sagte Walter-Borjans, die SPD müsse "zu Kompromissen bereit sein, aber sie müssen vertretbar sein und sie dürfen nicht verwischen, wofür wir stehen". Beim Thema Klimaschutz etwa müsse die SPD "immer wieder nachlegen". Den jungen Klimaschutzaktivisten könne nicht gesagt werden, "wir müssen die Rettung der Zukunft ein bisschen verschieben".
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